Große Ferien

Nun kommt das Sommerbuch könnte man meinen. Habe ich gemeint, als ich auf meiner Leseliste von 2019 und dem Stapel in meinem Badezimmer Nina Bußmanns “Große Ferien” entdeckte und das Buch zeitgleich zum Wiener Schulschluß am Freitag zu lesen begonnen habe. Der Bachmannpreis war auch gerade, wo die 1980 in Frankfurt Geborene ja 2011 mit einem Ausschnitt den “3 Sat-Preis” gewonnen hat und das war auch der Grund warum ich mir, vor zwei Jahren, glaube ich, beim Flohmarkt des Literaturhauses dieses Buch aus dem Stapel der aufgereihten Bücher herausgezogen und dann darauf vergessen habe.

Ich habe von Nina Bußmann auch seither nichts mehr gehört, nur ihren Namen im Gedächtnis behalten und jetzt eine Enttäuschung oder nicht. Es ist nur kein Sommerbuch, keines das von den Ferien im Juli und August handelt, in denen man auf große Reisen geht, sondern eher das Gegenteil. Mit den großen Ferien ist der Rückzug, das Ende, das Burn-Out gemeint, das ein Lehrer namens Schramm, der sonst immer vorbildlich, vielleicht aber auch ein Einzelgängerund ein Sonderling war, irgendwo habe ich auchdas Wort Autist gelesen, erlebt.

Es ist, könnte man schreiben, ein eher langatmiges, langsames, vielleicht auch langweiliges Buch für die heutige Ungeduld der Leser und vielleicht auch etwas ungewöhnlich für eine so junge Frau.

Denn da wird zu Beginn des zweihundert Seiten Buches sehr langsam und bedächtig der Garten beschrieben, den der Lehrer Schramm gerade jätet, auszupft und betreut.

Er ist auch nicht mehr als Lehrer tätig, sondern hat sich, nachdem er in der Schule zusammengebrochen ist, zurückgezogen und der anrufenden Direktorin, sowie der Krankenkasse erklärt, daß er nicht mehr zurückkehren wird.

Jetzt steht er da im Garten, jätet, sät und denkt über sein bisheriges Leben nach. Das geschieht sprungartig, von hinten nach vorn , so daß bis zum Ende des Buches eigentlich nicht ganz klar ist, was da zwischen dem Lehrer und seinem Schüler Waidschmidt wirklich passierte und, ob das der Grund für den Rückzug und den Tinnitus war.

Eine Ohrfeige, ein Mißbrauch, eine homesexuelle handlung oder vielleicht nur die Erinnerungen an eine Schüler-Lehrer Beziehung?

Es ist aber auch die Kindheit, die schlechte Beziehung zum Vater, das spätere Zusammenleben mit der Mutter, das Warten auf den Bruder Viktor, dem Arzt, dem er sich anvertrauen will, der aber bis zum Schluß des Buches  nicht kommt, weil auf der Autobahn durch einen Stau verhindert, geschildert.

“Bis zum Abend bin ich sicher da!”, verspricht der Bruder am Telefon und, ob er dann, bis er das ein wenig abseits liegende Elternhäuschen mit dem Garten erreicht, den Bruder tot am Boden finden wird, ist auch nicht ganz klar.

Am Anfang habe ich das Buch ein wenig langweilig gefunden, habe mich auch gefragt, ob eine so junge Frau das Burn-Out eines älteren, wie alt ist er eigentlich, Lehrers, wirklich beschreiben kann.

Es sind auch ein paar Anspielungen an Thomas Bernhard, dem Meister, vorhanden. Der Ohrensessel, in dem der Vater immer saß und natürlich, daß alles lächerlich ist und das Leben überhaupt.

Aber das ist eigentlich kompliziert, wie ich mich erinnere, an anderer Stelle gelesen zu haben. Ein paar Klischees über den Lehrerberuf, die langen Ferien und nur bis zu Mittag Schule sind natürlich auch dabei, aber eigenlich ein interessantes Buch, wenn man bis ans Ende gekommen ist, auch wenn die vielen Sprünge dieses hin und her, wo man nichts wirklich festlegen und vielleicht auch nicht nacherzählen kann, manchmal nerven.

Aber man soll ja nicht spoilern, hat mir Bookster einmal emport geschrieben. Nina Bußmann hat sich vielleicht aus diesem Grund nicht wirklich festlegen lassen und sich daher öfter widersprochen oder die Themen nur angerißen ohne wirklich aufzuschreiben, was da im Lehrerleben des Herrn Schramm wirklich passierte.

Ein interessantes Buch, wiederhole ich deshalb am Schluß, auch wenn es nicht von den Sommerferien handelt und ich kann mir vorstellen, daß vieles von dem was hier angedeutet wird, wirklich in einem Lehrerleben passiert.

Super und dir?

Das ist die ewig gleiche Antwort, auf die höchst banale Frage, wie es einem denn so ginge, die höchstwahrscheinlich ohnehin niemand wissen will und nur aufhalten würde, wenn jemand ehrlich “Beschißen!”, darauf antworten würde oder “Ich brauche Zeit und Geld!” oder so, die aber die Generation über dreißig der prekären Arbeitswelt gerade entkommen, die nach ihrem Studium in den angeblichen Traumberuf eingestiegen ist, zu geben sich veranlaßt fühlt oder denkt und glaubt, daß die Gesellschaft, das von einem erwarten würde, wurde man doch höchstwahrscheinlich  so erzogen.

Die perfekte Fortsetzung  auf das vorher gelesene Buch, hier war es die österreichische Gegenwartsliteratur, die in einem Hochstaplerroman von einem berichtet, den das “Super und dir!”, auch nicht so gelungen ist, hier erzählt die1985 geborene deutsche Kathrin Weßling, die Online-Redakteurin ist und in einem ihrer vorigen Bücher, glaube ich, schon über ihre Depression geschrieben hat.

Da ist es nicht weit zum Burn-Out und zur Drogensucht und Kathrin Weßling könnte man veranfacht sagen, erzählt, wie viele andere, auch hier von der Krankheit der Jugend in einer Gesellschaft wie dieser und sie tut es mit einer unheimlichen Wucht, wenn auch nicht immer linear, nicht immer ganz nachvollziehbar und nicht immer mit der gleichen Dichte und auch in unterschiedlichen Textsorten.

Da ist also Marlene Beckmann, die ist gerade einundreißig geworden und soll ihren Geburtstag feiern und man merkt, da stimmt etwas nicht, denn die Person ist trotz ihrer vielen Facebookfreunde fertig und am Ende.

Das von den Facebookfreunden steht schon so im Klappentext: “Marlene Beckmann Anfang dreißig. Social Media Managerin in einem multiinternationalen Unternehmen, hat es geschafft. Sie hat 532 Freunde auf Facebook, einen Freund, der sie liebt und einen Job den alle haben wollten. Und wenn sie noch weniger schläft, noch produktiver ist, fröhliche Selfies postet und dabei in ihren Chacren atmet, wird das Leben noch besser.”

Dann wechselt das Bild von der eher schwachen Person, die unfähig ist, trotz Anruf ihrer Mutter, ihre Geburtstagsparty zu planen und wir kommen zu einer Jugendlichen, deren Welt zusammenbricht, als ihre Eltern ihr bekannt geben, daß sie sich trennen wollen. Das heißt für die Mutter ist das eigentlich die Katastrophe, sie greift zum Alkohol und zu dem vom Arzt verschriebenen Beruhigungsmittel, der Vater säuselt, es wird alles gut und verschwindet, die Tochter räumt die Flaschen weg und verspricht der Englischlehrerin, die sie in der Schule auf ihr gelegentliches Fehlen und ihren Leistungsabfall anspricht, daß alles Super ist und sie sich zusammenreißen würde, was zu den dichtesten Stellen des Buches zählt

Das tut sie dann auch, denn sie ist die Beste ihres Abisjahrgangs, Vater und Mutter sind zur Feier gekommen, spielen heile Welt, der Direktor hält eine Lobesrede. Dann schafft sie ihr Studium und tritt die oben erwähnte Stelle an. Die Firma in die sie einsteigt, wird ein bißchen wie Dave Eggers “Circle” geschildert, neben ihr wird noch eine zweite Volontärin aufgekommen und nur eine wird, besonderes grausiges Spiel, den Job bekommen.

So lächelt sich Marlene durch, betreut Bloggerinnen, macht für ihren Chef die Präsentationen, die er dann als seine ausgibt, weist Maya, die ein bißchen zu viel getrunken hat, bei einer Afterwork-Party zurecht, schläft zuwenig und ißt ihren Freund Jakob, weil sie nicht zum Einkaufen kommt, den Lieblingspudding weg. Der spricht sie darauf an, daß offenbar etwas nicht in Ordnung ist, sie verspricht ihm, sich zu ändern. Ein Ulraub wird geplant, den sie aber, weil in der Firma zu viel zu tun, verschieben muß.

So weit der erste Teil. Im Zweiten ist Jakob  offenbar allein in den Urlaub geflogen. Sie bricht nicht zusammen, geht nicht zur Arbeit, sondern zum Arzt, erzählt ihm, nachdem sie ihm etwas von einem Darmvirus vortäuscht, um zu einer Krankschreibung zu kommen,  weinend von ihrer Drogensucht, der nimmt sie nicht erst, sagt “Sie sind doch kein Junkie!” und verschreibt ein sanftes Beruhigungsmittel und von Stefan, ihrem Chef kopmmt die Nachricht, daß leider, leider, sie solle es nicht persönlich nehmen und es ist auch nichts gegen sie, sich die Firma doch für Maya entschieden hat.

Dazwischen wird noch eine Abtreibung erwähnt, die Marlene einmal hatte, weil es mit ihren damaligen Freund Davind nicht der richtige Zeitpunkt zum <kind war und am Ende geht es wieder zu dem nicht gefeierten Geburtstag zurück und zu den Anrufen, die vom Vater, der den üblichen Scheck verspricht, der Mutter und der glücklicheren Kollegin Maya kommen.

Ein sehr beklemmend dichtes Buch, in dem wahrscheinlich viel selbst Erlebtes und viel von dem Druck, den unsere Gesellschaft auf die Jugend von heute, den erfolgreichen Superkindern, die immer lächeln und leisten müssen und damit überfordert sind, macht, steckt.

Eines das sich nahtlos an die traurigen Freiheit und auch noch einige andere Bücher einiger anderer Dreißigjährigen reiht und das auch schon von “Literaturen” und “Herzpotential” gelesen wurde, die glaube ich, ebenfalls beeindruckt waren.