Quecksilberlicht

Jetzt kommt Buch acht der österreichischen Longlist, Thomas Stangls Quecksilberlicht”, das leider nicht auf die Shortlist gekommen ist. Ich hätte es hinauf getan, obwohl ich eigentlich kein Fan des 1966 in Wien geborenen bin, von dem ich “Was kommt” gelesen habe und den ich immer für sehr kompliziert gehalten habe und das stimmt auch sicherlich.

Thomas Stangl ist sehr kompliziert, ein sorgfältiger Sprachkünstler und man kann viel zu seinem neuen Roman sagen, den ich schon bei den O -Tönen hörte. Zum Beispiel stelle ich mir auch die Frage, was die drei Handlungsstränge, seine Großmutter, an die er sich nicht mehr erinnern kann, weil sie 1967 gestorben ist, der Kaiser von China, der die Terra Cotta-Armee erschuf, sehr gewalttätig war, nicht sterben wollte und sich selbst mit Quecksilber vergiftete und der Bruder der Bronte Sisters, miteinander zu tun haben.

Aber gut, ich habe in meinen sprachlich sicher weniger schönen Texten, meistens auch drei Handlungsstränge, aber ich schreibe sie in einzelnen Szenen hintereinander, während Thomas Stangl alles verbindent und im selben Kapitel hin- und herspringt und einen vierten Handlungsstrang hat er auch, denn eigentlich und das war ja Thema der letzten Tage kann man, das Buch als eine sehr anspruchsvolle Autofiction interpretieren. Denn der Autor kommt in dem Buch auch immer wieder vor. Er sitzt am Schreibtisch, hat ein Ikea-Regal, dann wird er philosophisch, überschreitet die Zeit und die Personengrenze und obwohl ich nicht alles verstanden habe und das Experiment alles gleichzeitig zu schreiben und alles miteinander zu verbinden, auch nicht für so gelungen halte. Ich hätte da lieber ein Buch über seine Großmutter, ihr Aufwachsen in Simmering in der Zwischen- und Nachkriegszeit und auch die obligatorische NS-Bewältigung, dann eines über die Bronte Geschwister, die Schwestern Charlotte, Anne, Emily, die allesamt im neunzehnten Jahrhundert Schriftstellerinnen waren und ob dieser Branwell wirkich so erfolglos war, wie ihn Thomas Stangl schildert, bei “Wikepedia” habe ich das anders gelesen, weiß ich auch nicht und der Kaiser von China ist mir eigentlich egal. Über ihn würde ich wahrscheinich keinen historischen Roman lesen wollen.

Mir hat das Buch aber gefallen und was die Sbortlist betrifft. Da habe ich vor ihrer Verkündung, wo ich noch nicht viel gelesen hatte, eine Schätzung abgegeben und bin da von den Namen her auf sechs Favoriten gekommen.

Das waren alle die auf der Shortlist stehen und eben Thomas Stangl. Dann habe ich “Fretten” gelesen, mit dem ich nicht so viel anfangen konnte und habe geschrieben, daß ich mir stattdessen die “Kuratorin” auf die Shortlist wünsche.

Jetzt würde ich Thomas Stangl gegen “Fretten” austauschen und den Norbert Kröll mit der “Atemhaut” und denke es ist ein künstlerisch sehr anspruchsvolles Buch, das sicher nicht sehr leicht zu lesen ist, aber auf die Shortlist gehört.

Mein Favorit ist immer noch Robert Menasse. Aber das Gewinnerbuch habe ich noch nicht gelesen. Mal sehen, was ich dann dazu schreibe? Inzwischen bin ich über den Stangl überrascht, denn ich habe eigentlich nicht gedacht, daß mir der Roman gefallen wird.

Man sieht wieder, man lernt nicht aus und es ist wichtig mehr von einem Autor zu lesen, denn nach der ersten Seite weiß man noch nicht sehr viel und nach einer Lesung daraus wahrscheinlich auch nicht.