Im Auge der Pflanzen

Das zweite Buch aus dem Überraschungspäckchen des Gastlandes Portugal auf der nicht stattgefundenen letzten Leipziger-Buchmesse, stammt von der 1982 in Luanda geborenen Djaimilia Pereira de Almeida, die schon mehrere Literaturpreise gewonnen hat und es führt uns in einen verwunschen Garten, zu einem alten Piraten mit einer Augenklappe, der in seinem Leben schon viele Grausamkeiten begangen hat, ein kleines holländisches Mädchen ,das ihn vorher pflegte mit verbundenen Augen an einen Baum gebundenen zurückgelassen und viele Schwarze, Nege steht auch zweimal in dem von Barbara Mesquita übersetzen Buch ermordet hat. Jetzt ist er alt, hat einen Bart und pflegt, manchmal vom Pfarrer besucht, der ihm zum Beichten überreden will, den Garten. Die Kinder weichen ihn zuerst aus, nennen ihn einen Teufel und fürchten sich vor der Vogelscheuche, die er ihnen im Garten aufgestellt hat. Später besuchen sie ihn, um die Fledermäuse zu sehen und der alte Celestino wird auch vom Schatten der Vergangenheit besucht, eine alte Schwarze mit einem bunten Glockenrock taucht auf und das kleine holländische Mädchen mit den roten Zöpfen oder ist es der Tod ,der viel Zeit für ihn hat und ihn langsam zum Sterben bringen will?

In einer sehr schnöen metaphernreichen poetischen Sprache wird das in hundertfünfundzwanzig Seiten erzählt. Roman steht auf dem im “Unionsverlag” erschienenen Büchlein, das auch Pflanzen im Cover hat, ich würde es wieder Novelle nennen. Gibt es ja Seiten, die aus kurzen Abschnitten bestehen und ich habe mir, ähnlich wie bei Valerie Fritsch wieder viel angestrichen und hätte noch viel mehr der schönen Sätze gefunden, die wahrscheinlich auch von der Übersetzerin stammen.

“Gesegnete Nacht. Er erwachte zu Hause, wiederhergestellt, nach einem erfüllten Leben. – Im Halbdunkel gemahnte die Gestalt der Möbel an Gespenster.” Seite 11

“Die Toten des Hauses gaben ihm die Erlaubnis, wach zu werden.” Seite 13

“Vielleicht möchte er beichten. Meine Tante Aurora hat mir erzählt, dass er behauptet, er habe sechs Kindern die Zunge herausgeschnitten. Wie es scheint, trinkt er Blut und hat sie Seele dem Teufel verkauft. Die Mutter war auch kein guter Mensch, flüsterte der Küster”, Seite 28

“Der Wahnsinn ist das gnadenreichste aller Heilmittel.” Seite 30

“Ich überlegte ihn zu töten, aber ich war zu erschöpft vom Warten.” Seite 33

“Diese Nacht Blut und Licht. Kleine Mäuse in der Jackentasche. Eine Amsel ist unter die Tanne gefallen.” Seite 41

“Im Weinstock habe ich ein Problem entdeckt. Tee mit Padre Alfredo. Widerwärtiges Organ.” Seite 42

“Wissen Sie, Herr Pfarrer, Gott ist wie ein Aprikosenkern, wie Zyanid, Schimmel, giftiges Sekret. Haben Sie je eine Bittermandel gekostet?” Seite 54

“Wäre ich Bäcker, ich vergiftete einen ganzen Ofen voller Brot. Aber was soll ich diesen Seelen sagen. Sie kommen nach Hause und sind weniger als Wasser. Blut und Lcht. Grosse Hitze.” Seite 71

“Gegen acht Uhr abends erklärten die Fledermausmütter den Flugunterricht für beendet.” Seite 74

“Wenn er das Leben damit begonnen hatte, Seemann zu spielen, kopfüber von der Pontonbrücke zu springen, so beendete er es damit, den Gärtner zu spielen.” Seite 80

“Kommt her, Kinder, her zu mir, der ich Kehlen durchgeschnitten habe und den Schlaf der Gerechten schlafe. Wollt ihr wissen, wen ich alles getötet habe? Ich habe Affen und Pferde getötet. Schlangen, Wespen, einen Elefanten.” Seite 93- 94

“Und so schloss der Kapitän Freundschaft mit dem Tod, ohne zu wissen, ohne zu ahnen, dass er ihn rief.” Seite 106

“Mein kleiner Pirat, brachte er halb scherzhaft zwischen den Zähnen hervor. Die Worte hatten etwas Begehrliches. Unter seinen Händen gingen alle Pflanzen ein.” Seite 125

Das war ein poetischer Rundgang durch das Buch, das mir sicherlich entgangen wäre, hätte mir Buchkontakt nicht das Überraschungspakt zugesandt, beziehungwweise mich zum Infogespräch eingeladen und natürlich kann man darüber philosophieren, wie gewaltsam unser Leben und die Menschen sind und eigentlich auch ein bisschen pervers, das in wunderschöne Sprache zu verpacken.

Schwerkraft der Tränen

Heuer war ja Portugal das Gastland der Leipziger Buchmesse oder hätte das vielleicht schon im Vorjahr sein sollen. Die Messe hat dann nicht stattgefunden, Gastlandauftritte gab es schon und ich bin da per Zoom auch bei zwei Veranstaltungen gewesen, bei einer hat die 1979 in Angola geborene und in Portugal aufgewachsene Yara Nakahanda Monteiro ihr Debut “Schwerkraft der Tränen” vorgestellt, das seltsamerweise bei “Haymon” herausgekommen ist und für mich war neu, daß Angola oder von dort stammenden Autoren zur portugiesischen Literatur gehören. Also wieder was gelernt, daß das eine portugiesische Kolonie war und es einen Befreiungskrieg gegeben hat, über den jetzt Romane geschrieben werden. Ein paar Tage oder Woche später wurde mir dann das Buch angeboten, das ich jetzt gelesen habe, das auch sehr interessant ist.

Ein interessantes Thema, ein interessanter Schreibstil, auch ein bißchen verwirrend, aber sicher wichtig sich in die Literatur der jungen aus Angola kommenden Autoren einzulesen und möglicherweise ist auch ein bißchen Autobiografisches dabei.

Da ist jedenfalls die Bibliothekarin Vitoria, in Angola geboren, mit den Großeltern als Zweijährige nach Portugal geflüchtet und dort aufgewachsen, die keinen Kontakt zu ihrer Mutter Rosa Chitula, eine angolische Freiheitskämpferin hat, die sich nie gemeldet und so fliegt Vitoria nach Luanda, der Hauptstadt, um nach ihrer Mutter zu suchen.

Sie wohnt bei einer Freundin ihrer Tante, die ihr auch den Tip gegeben hat, sich mit einem General in Verbindung zu setzen. Den trifft sie dann bei einer Hochzeit. Vorher war sie mit ihren Cousinen tanzen und ist auch ein bißchen in das soziale Leben Angolas, der Armut und der Unterdrückung eingetaucht. Der General läßt sie warten, beziehungsweise engagiert er sie mit ihr seine Gedichte vorzustellen. Er bezahlt aber die Inserate, die Vitoria aufgibt, um nach ihrer Mutter zu forschen und die kommt dann in Kontakt mit Mama Ju oder Juliana, die sie damals zu ihren Großeltern brachte.

So fliegt Vitoria nach Huambo, wohnt dort bei Mama Ju, die damals mit ihrer Mutter kämpfte, deren Haus angezündet wird und erfährt von ihr nach und nach die Geschichte ihrer Mutter und den Grund, warum die sich nie gemeldet hat, ist Vitoria doch wahrscheinlich das Kind einer Vergewaltigung und Folteropfer und Vitoria, deren Großvater inzwischen gestorben ist, beschließt nie mehr nach Portugal zurückzukehren, sondern in Angola zu bleiben um für die Freiheit zu kämpfen.

Ein interessantes Buch, das, weil es in wechselnden Perspektiven geschrieben wurde, gar nicht so leicht zu lesen ist. Hab aber wieder etwas über die portugiesische Literatur erfahren, in der ich, wie ich schon geschrieben habe, nicht wirklich firm ist. Da das Portugal Paket mit einer Tragtasche, Lesezeichen und anderen Goodies inzwischen doch zu mir gekommen ist, warten noch zwei diesbezügliche Bücher auf mich.