Alles nicht dein Eigen

Jetzt wird das Hemon-Buch umgedreht und nach den Bericht über die “Eltern” kommt es zu der “rauschhafteren, rauheren und nicht unkonventionellere Seite der Nedaille”, wie im Beschreibungstext steht.

“Vignetten über den jungen Hemon, seine Wildheit seine Wut. Siefügen Hemons Protagonisten Aleksandar eine bis dato unerwartete Facette hinzu, die des jungen, energiegeladenen (und eben oft wütenden Sohnes, der nicht verstehen kann, was verdammt nochmal so schwer sein soll, irgendwo anzukommen.”

Die Vignetten sind kleine Szenen, wo Aleksandar Hemon von seiner Kindheit erzählt,wo er mit seiner Schwester beispielsweise im Müll des Skihotels herumwühlte und mit ihr das ausgetauschte Geschirr zertrümmert. Viele der Phantasien und Erinnerungen scheinen sehr gewaltsam und sind vielleicht psychoanalytisch zu deuten oder Hemon deutet solches an, wenn er von der Frau mit dem herausgenommenen Zähnen erzählt,die ihn erschreckte oder die Geschichte von der Schlange, die im Lauch verborgen, sich vom Milchgeruch angezogen zum Baby schleppte und dann in seinem Mund verschwand, so daß der kleine Aleksandar immer aufpasste, daß sich eine solche nicht zu seiner Schwester begab.

Eine Geschichte handelt von den Tonaufnahmen, wo der kleine Aleksandar gefragt wurde, wie das Hündchen sagt “Das Hündchen sagt wau!”, antwortete der immer, auch wenn er nach der Kuh etcetera, gefragt wurde.

Er erzählt, wie er ein Polizeiauto zum Spielen in den Park mitnahm, das dann von seinem Freund kaputt gemacht wurde, die Mutter, die danach fragt, schickte ihn in den Park zurück, um danach zu suchen, erwußte aber, daß er es nicht mehr finden würde.

Das Wilde drückt sich darin aus, daß er im Badezimmer der Eltern mit Handchrems und Shampoos chemische Experimente anstellte,aber auch Fliegen tötete. Die Eltern bestanden darauf ihn in ein Winterlager in eine Shihütte zu schicken. Dort wurde er zum Außenseiter, von den anderen gemobbt, die ihn “Fliegenfänger” nannten und ihm einen Eiszapfen ins Bett steckten, als er sich darauf bei den Betreuern beschwerte, wurde er vvon ihnen “Petze” genannt. Er vertraute sich einer Silvija an, der er eine Geschiche von einem Selbstmörder erzhlte, wo er gesehen haben wollte, wie sich dessen Gehrin nach dem Fenstersturz auf der Straße verspritzte.

Die ersten Gedichte wurden auch geschrieben und in der Schule war eine Zeitlang in der “Liga der jungen LInguisten”, wurde von Wettbewerb zu Wettbewerb geschickt, wo er den Anschluß zu den anderen womöglich noch einmal versäumte.

Das erste Gedicht hat er übrigens auf Klopapier geschrieben. Er saß dort lange und die Mutter rief “Immer noch darin! Das dauert doch eine Ewigkeit!”

Zum Buchtitel kam es, weil er von einem Nachbarn vermöbelt wurde, weil er gegen eine Kellertür hämmerte “Das ist nicht dein Eigen!”, rief der und verasste ihm Kopfnüße.

Hemon berichtet über die erste sexuelle Aufklärung, die er durch einen Freund erfuhr, berichtete über die erste Liebe zu einer Suzanna und davon,wie er als er eine Rötung auf seinem Penis bemerkte durch das Aufklärungsbuch seine Mutter in der Angst lebte Syphilis zu haben, obwohl er noch keinen Geschlechtsverkehr hatte.

Den ersten Zungenkuß zerredet er, später als er beim Linguisten-Wettbewerb einen Ferienaufeinhalt gewonnen hat, wird er vom Heimleiter mit einem Mädchen im Zimmer erwischt und so weiter und so fort geht es mit den bosnischen Kindheitserinnerungen und den Verhaltensauffälligkeiten, die es in der Pubertät auch außerhalb wohl gibt und die im Vorwort als Wildheit bezeichnet wird. Er klaut, geht ins Arena-Kino, das es schon längst nicht mehr gibt, wird von den stärkeren Kameraden gemobbt, bis ihm der Vater rät zurückzuschlagen.

In der Buchmitte, dort wo sich die beiden Bücher kreuzen, gibt es einen Bildteil mit schwarzweißen Familienfotos, wo man die Skihütte und die Familie am Strand bewundern kann und interessant ist auch, die Bücher wurden von Hennig Ahrens übersetzt und der steht ja mit seiner “Mitgift” auf der LL, ich habe das Buch gestern auch in Print und als E- pub bekommen.

Meine Eltern

Jetzt kommt ein Doppelpack, nämlich ein Buch aus dem “Claasen-Verlag”, das man von vorne und von hinten lesen kann. Also zwei Bücher in einem, beide von dem 1964 in Sarajewo geborenen Aleksandar Hemon,der seit 1992 in den Vereinigen Staaten lebt und dort offenbar ein bekannter Autor ist. Jetzt hat er im Doppelpack vorne von seinen “Eltern” und hinten von seinen Bosnien-Erfahrungen geschrieben.

Interessant einen mir bisher vollkommen unbekannten Autor kennenzulernen, der über einen humorvollen, leicht ironischen Stil verfügt. So beginnt er jedenfalls in Buch eins, also das, das ich als Erstes gelesen habe, über seine Eltern, die Mutter Andja, 1937 geboren ,sowie den 1936 geborenen Vater Petar geschrieben, beiden haben sich in Belgrad während ihres Studiums kennengelernt. Haben sich für Musik und Filme interessiert. Sind also ins Kino und tanzen gegangen. Haben sich dann in Sarajewo angesiedelt und dort zuerst den Sohn Aleksandar, später die Schwester Kristina geboren.

Der Vater hat als Ingenieur viel im Ausland gearbeitet und als der Krieg ausbrach, ist die Shwester mit ihrem Freund nach Beglgrad gegangen, Aleksandar ist in den USA geblieben und die Elternemigrierten 1993 nach Kanada.

Das zweite Kapitel ist dem”Heimatland” Jugoslawien gewidmet, was für die Mutter, die Jugend bedeutete, wo sie in einer Jugendbrigade an der “Autobahn der Brüderlichkeit” baute und dazu Tito-Lieder sang. Als der 1980 starb, fiel das ganze Land in Agonie, während der Vater, dessen Familie aus der Ukraine stammte, an der Stadt Vucijak hing,wo er den größten Teil seines Lebens in Bosnien verbrachte.

Dem Wort “katastrofa” wird ein Kapitel gewidmet, das fürdie kriegsbedingt traumatiserten Eltern eine große Bedeutung hat. Die Eltern sind sehr tierliebend. Der Vater ist Imker, der seine ganze Freizeit mit den Bienen verbringt. Der Ingenieur arbeitet in Kanada als Hausmeister und Fabriksarbeiter und hat mit den Waschbären zu kämpfen. Schwierigkeiten hat er mit dem kanadischen Wohlstand, wo Waschmaschinen und andere Sachen einfach auf den Straßenrand gestellt werden. Der Vater sammelt sie auf und hat inzwischen einen Schuppen, wo er sich mit Reparaturen beschäftigt, während die Mutter mit ihren Tieren, den Hunden, Wellensittiche und Eichhörchen spricht.

Es gibt ein Kapitel über das Essen, wo wieder die Sparsamkeit und das nicht Wegwerfen können, sowie die Essenszeiten ein Thema ist. Eines über die Musik. Die väterliche Familie hat viel gesungen und die Eltern haben dem kleinen Buben auf sehr unterschiedliche Art und Weise Geschichten erzählt, was in dem Kapitel “Literatur” thematisiert wird. Daß die Eltern in Belgrad geheiratet haben, hat man schon im ersten Kapitel erfahren. Später erfährt man, daß die Mutter unter der damals üblichen Haushaltsteilung, die Frau ist im Haus bei den <kindern, der Vater reist in der Welt herum, sehr gelitten hat und das letzte Kapitel ist dem Sterben und dem Tod gewidmet. Da wollten sich die Eltern vor Jahren ein Grab kaufen und haben den Sohn um finanzielle Unterstürzung gebeten. Er hat entsetzt abglehnt. Die eltern haben es trotzdem gekauft und am Schluß schreibt Aleksandar Hemon, daß er in dem Buch eine mögliche Trennung von den Eltern verarbeit, bzw.vorweg genommen hat:

“Wo soll ich jemals wieder solche Eltern finden?”, lautet der letzte Satz.