Vom Atmen unter Wasser

Wie bewältigt man Trauer, wie ist zum Beispiel als Familie, der plötzlichen Tod, der sechszehnjährigen Tochter bzw. Schwester, zu verkraften?

Etwas, was ich ein bißchen wissen wüßte, habe ich als Psychologiestudentin, kurz nach dem Tod meiner Großmutter,  1978, meine um elf Jahre ältere Schwester durch einen Autounfall verloren, die, wie ich noch immer meine, von meiner Mutter, wenn auch aus anderen Gründen, genauso vorgezogen wurde, wie es die Krankenschwester und Mustermutter Anne Bergmann bei Sarah tat und so lautet der erste Satz von Lisa-Mari Dickreiters Buch auch:

“Mit sieben Jahren beschloss ich meine kleine Schwester für immer loszuwerden.

“Vom Atmen unter Wasser”, eine weiße Bettdecke ziert das Cover des 2010 bei Bloomsbury Berlin, 2010, erschienen, Trauerbewältigungsroman und oben darauf sind ein paar Stofftiere, darunter ein Teddybär zu sehen und Thomas Wollinger, dessen Blog ich 2010 ja sehr intensiv verfolgte und auch eifrig kommentierte, hat es dort vorgestellt.

Hat er doch, glaube ich, mit der 1978 in Furth am Wald geborenen Autorin, gemeinsam die “Leondinger Akademie” besucht und ohne genau zu wissen, warum es in dem Buch geht, hat mich das Cover sehr beeindruckt und neugierig gemacht, so daß ich 2013 bei diesem “Augustin-Flohmarkt” begierig nach dem Buch griff, als ich es dort in den Regalen sah.

Von Lisa-Marie Dickreiter, die auch die Filmakademie besuchte, das Buch ist, glaube ich, auch ein Film geworden, habe ich seither nicht viel gehört, keine Longlist, kein Bachmannlesen, wie bei den anderen Büchern, die ich von dem Flohmarkt mitgenommen habe und im Netz, wo ich nachgegooglet habe, gibt es auch nicht viel zu finden, außer, daß Lisa-Marie Dickreiter jetzt Kinderbücher schreiben dürfte.

Roman steht, unter der Bettdecke am Cover, natürlich, heutzutage heißt ja alles so, auch wenn es in Wahrheit Lyrik, etc, ist. Das hier würde ich in die Gattung “Krisenbewältigung” einordnen und der “Romantherapie” empfehlen, denn man kann das Buch sicher zur Bibliotherapie empfehlen und werde das gegebenfalls, ich habe manchmal Trauerbewältigungsklienten, auch tun.

Das Buch ist sehr kunstvoll, man merkt die Filmstudentin, geschrieben, beziehungsweise konzipiert, am Ende gibt es auch eine ganze Menge Danksagungen an Helfer und in Kapitel aufgeteilt, die die Namen der Familienmitglieder, Simon, das ist der um vier Jahre ältere Bruder, der Medizin studiert, Jo, der Vater, Sozialarbeiter und Bewährungshelfer, Anne, die Mutter und wir taumeln durch die Trauerarbeit, erleben die Trauerreaktionen, wenn ich ich wieder vielleicht ein wenig kritisch anmerke, daß das Resultat, natürlich erhöht und künsterlich aufgemoppelt ist, die wirkliche Trauerarbeit, wenn die sechszehnjährige Tochter vom Heimweg nach einer Party ermodert wird, wird wahrscheinlich platter, patscherter, unbeholfener, etc aussehen.

Meine Mutter hat zum Beispiel an die Gemeinde Wien einen Brief geschrieben, daß sie gerne will, daß der Fall, meine Schwester ist von einem Müllauto von hinten überrollt worden, untersucht wird, die etwas barsche Antwort, Abwehr von Gefühlen, war, das das nicht möglich ist und nicht “Tut uns leid, wir entschuldigen uns, auch wenn der arme Teufel nichts dafür konnte!” und heute wahrscheinlich automatisch zum KAV-Psychologen geschickt würde.

Am eindringlinsten ist der Prolog gelungen, wo der siebenjährige, die sich sehr schlecht benehmende nervige Schwester packt, sie in einen Bus setzt, sie nimmt noch seine letzten fünfzig Pfennig, für die er sich eigentlich Eis kaufen wollte, dann steigt er aus und denkt, das Problem ist gelöst und er muß sich für die Mutter nur eine Erklärung ausdenken. Als er mit der stolz zurückkommt, steht eine fremde Frau im Garten, die Schwester an einem Eis schleckend an der Hand und die Mutter gibt ihm eine Ohrfeige. Er hat zulang gewartet, wie blöd, daß Sarah schon ihre Adresse wußte.

Dreizehn Jahre später, geht sie früher von einer Party heim und wird ermordet und ein Jahr später, Simon will gerade mit einem Mädchen im Bett, läutet das Telefon. Es ist der Vater, die Mutter hat versucht sich die Pulsadern aufzuschneiden.

So weit die Ausgangslage, dann wird es komplizierter, denn wir werden hineingestoßen in die Gefühlswelt der drei und die ist natürugemäß nicht eindeutig, sondern sehr durcheinander.

Der Sohn ist inzwischen ausgezogen, weil es ja Spannungen gab, der Vater bittet ihn vorübergehend zurückzukommen, denn die Mutter, die mit der Auflage, eine Psychotherapeutin zu besuchen, bald entlassen wird, soll nicht allein zu Hause bleiben. Sie darf aber nicht wissen, daß es zu ihrer Überwachung ist, aber Simon muß sowieso für das Physikum lernen und da hat er es zu Hause angeblich ruhiger.

Natürlich nicht, wenn er nie sicher sein kann, was die Mutter gerade macht, die seit dem das mit Sarah passierte, das eheliche Schlafzimmer verließ und jetzt in deren Zimmer wohnt. Hier versucht sie sich an ihren Geruch zu erinnern, hat Angst ihre Stimme zu vergessen, etc, so daß der Vater brutal oder hilflos Sarahs Kleider wäscht, um den Geruch “Zu seiner Sicherheit, Liebes!”, wegzubekommen. Der Sohn schlägt der Mutter vor, einen Film über Sarah zu drehen, um sie wiederherzuholen und der Vater gibt ihm eine Ohrfeige.

Aber der Bewährungshelfer, der seine drogensüchtigen Klientinnen auch schon mal aus einem Springbrunnen herausholen muß, hat inzwischen eine Freundin. Er hätte es sonst nicht ausgehalten, der Sohn erwischt ihm im Kino mit ihr, verlangt vom Vater eine Entscheidung. Der verläßt dann die Mutter, die sich, sie hat die Leiche damals nicht gesehen, den Obduktionsbericht beschafft, um sich und ich denke, das ist auch psychologisch richtig, endlich von Sarah verabschieden zu können.

Sie spricht mit dem Freund, mit dem Sarah damals auf der Party war und bekommt heraus, sie hat diese früher verlassen, weil Gero mit Elena, die ist inzwischen Simons Freundin und fährt die Fahrradritschka in der Stadt Freiburg, in der die Handlung spielt, geknutscht hat, so kauft Anne Elena ein Kettchen. Sie hat ihres damals Sarah geborgt und die wurde dann damit beerdigt und verlangt von ihr dafür, daß sie die Beziehung mit Simon beendet. Starker Taback das Irrbad der Gefühle durch die Lisa-Marie Dickreiter ihre Familie schickt. Im wahren Leben wird es vielleicht nicht ganz so dramatatisch und dennoch grauslich genug sein.

Spannend, spannend und nach den ersten Trauerbewältigungsreaktionen sicher zum Lesen sehr zu empfehlen.

“Eine bewegende Geschichte über Verlust und Liebe. Schmerzhaft und wunderschön.”, schreibt Syblle Knauss am Buchrücken. Das Letztere würde ich nicht so unterschreiben, denn wenn man das Buch so empfindet, dann wäre man sehr brutal!

Mit dem Rad von Ulm nach Regensburg

Ulm

Ulm

Günzburg

Günzburg

Nach der allgemeinen Reisebetrachtung kommt jetzt  der Bericht über unsere Donauradreise von Ulm nach Regensburg, die der Alfred sehr lange und sehr genau vorbereitet hat.

Eigentlich sollte es zwei Wochen lang von Donaueschingen nach Regensburg gehen, dann haben wir es aber auf eine Woche verkürzt und sind am vorigen Mittwoch mit dem Zug vom Westbahnhof über Salzburg nach Ulm losgefahren, die Klappräder im Gepäck und in Ulm in einem schönen Hotel logiert.

Danach das Münster, die Stadt und vor allem die Buchhandlungen besichtigt, fünf Stück habe ich gezählt und weil mit dem Klapprad das Gepäck ja begrenzt ist, eine Tasche vorn und eine hinten, habe ich nur drei Bücher, neben zwei T-Shirts, einem Nachthemd und der Toilettentasche mitgenommen, bin dann aber in einen “Thalia-Abverkauf” hineingekommen, die schließen dort offenbar das Geschäft, das gleich neben einem “Hugendubel” liegt und verkauften die Bücher, die sonst 3.99  kosten und noch einige andere, um einen Euro ab, so daß ich nicht widerstehen konnte und die zwei schwarzen Taschen haben sich dann auch bequem füllen lassen, so sind wir am nächsten Tag, dem Feiertag, der in Deutschland eher der Vatertag war, nach Gundelfingen losgefahren, die Donau ist in Ulm eher schmal und Schiffsverkehr gibt es auch keinen, auch nicht so viele Radfahrer, am Feiertag aber einige Bierzelte an der Donau und das Gasthaus, wo wir in Gundelfingen übernachtet haben, hatte eine eigene Metzgerei und auch sowas wie eine Rindfleischakademie im Haus gegenüber und auf der anderen Seite gab es die Stadtbücherei und davor eine Kiste mit Büchern zum Verschenken. Glück muß man haben und große Taschen, dann kann man sich ein Souvenier mitnehmen, obwohl die Auswahl nicht so besonders war, aber trotzdem sehr interessant und der Rundgang durch das kleine Städtchen, alles sehr schön ausgeschildert, war es auch.

Am Freitag hat es dann ein bißchen geregnet und wir sind bis Donauwörth geradelt, haben dort ein sehr schönes Hotel gehabt und sind gerade zur historische Stadtführung zurechtgekommen, wo uns ein Herr Ottokar Müller alles über die Fuger, den Kaiser Maximillian und auch von einem inzwischen nicht mehr existierenden Verlagshaus Auer erzählte.

Gundelfingen

Gundelfingen

Ingolstadt

Ingolstadt

Am Samstag ist es dann bis Ingoldstadt gegangen, das war die längste Strecke, sonst sind wir eher nur an die fünfzig Kilometer geradelt und da lag der Weg auch ziemlich an der Donau, sonst sind wir auch oft die Straße entlanggeradelt.

Ingolstadt kenne ich literarisch von der Marie Louise Fleisser und von der kann man dort, glaube ich, auch das Geburtshaus besichtigen, allerdings sind wir eher erst am Abend angekommen, so daß der Alfred einige Plakate fotografiert hat, wo man sehen konnte, daß es da einen Poetryslam, beziehungsweise einen literarischen Frühling gab und am Sonntag sind wir bis Kehlheim geradelt, beziehungsweise vom Kloster Weltenburg mit dem Schiff dorthin gefahren. Übernachtet haben wir in einer sehr schönen Pension, die eigentlich eine Ferienwohnung war. mit einer sehr freundlichen Wirtin, die ein ausgezeichnetes Bircher Müsli und einen Buttermilch-Smoothie zum Frühstück servierte.

Sonst ist mir in Kehlheim nicht sehr viel Literarisches auf- bzw-eingefallen, wenn man nicht, ein wenig gewagt, die Verbindung zu Daniel Kehlmann setzt, da schlägt aber nur die Namensgleichung zu und von dem habe ich mir ja das “Portrait mit Leo Richter” in Ulm gekauft, allerdings noch nicht gelesen, denn da war ja, was das “Deutschlandlesen” betrifft, noch die “Wohmann-Erzählungen” angesagt.

Kelheim

Kelheim

Würzburg

Würzburg

Am Montag sind wir und das war die schönste Strecke bis Regensburg geradelt und dort waren wir schon einmal mit dem Rad und zwar 2007, als wir mit Ruth Aspöcks-Dichterkarawane von Ybbs bis dorthin mitgeradelt sind. Wir haben sogar im selben Gasthaus, nämlich im Spitalsgarten übernachtet.

Ein riesiger Biergarten mit ein paar Fremdenzimmer und interessant und für die Betroffenen wahrscheinlich eher ungemütlich, daß es daneben, das “Katharinenspiatal” bzw. ein Pflege-und Altersheim gibt und von unseren Zimmer konnte man direkt auf die Terasse von dort, bzw. in den Biergarten schauen und unter dem Altersheim befindet sich auch noch eine Brauerei, wo am Morgen dann die Kisten und die Flaschen etc gewaschen wurden, also wahrscheinlich immer laut.

Von Regensburg haben wir dann wieder die Donau verlassen und sind diesmal mit dem Zug nach Würzburg gefahren, weil der Alfred dort unbedingt einen Kabarettabend mit Volker Pispers sehen wollte, der  in Wien offenbar nicht auftritt.

Dort haben wir dann in einem tollen Hotel am Steinberg gewohnt und sind mit den Rädern durch die Weingärten gefahren und nach dem Kabarett heute Nachmittag von Würzburg mit dem Zug zurück.

Das war kein Problem, obwohl es eines werden hätte können, denn in Deutschland seit gestern Streik der Bundesbahn, zum Glück betraf das aber nicht die internatrionalen Züge, so daß ich gestern nur beobachten konnte, wie das Fernsehen die Zugsreisenden dazu befragte, die Leute und sogar Volker Pispers am Abend im Kulturspeicher, haben darauf Bezug genommen, sonst habe ich von dem Streik nicht sehr viel mitbekommen, so daß wir relativ pünktlich wieder zurückgekommen sind, ich meine Bücher ordnen und meine Blogartikel schreiben kann und morgen ist dann das “Schutzengelchen” von der Änderungsschneiderei in der Ziegelofengasse abzuholen, das mir die Post heute nicht zustellen konnte.

Vea Kaiser, das hätte ich jetzt fast vergessen, hat heute beim “literarischen Frühling” in Würzburg aus ihrem neuen Buch gelesen und der Alfred wird wahrscheinblich wieder ein paar schöne Fotos in den Blog stellen, so daß meine Leser auch die neuerliche Radreise mitverfolgen können.