Selbstbestimmt leben

“Erzählungen aus dem Leben mit Persönlicher Assistenz”. Den 1966 in Kärnten geborenen Franz-Joseph Huanigg, der nach einer Impfung im Babyalter mit gelähmten Beinen, mit Elektrorollstuhl, Beatmungsgerät und Persönlicher Assistenz lebt, habe ich, glaube ich im Radio Kulturcafe im Rahmen der “Sozialmarie” oder sonstiger Preisvergabe kennengelernt, als ich mich gerade auf meinen WGPV- Vertrag vorbereitete.

Damals war er, glaube ich, Kinderbuchautor, der auf das Leben mit Behinderung aufmerksam machte. 2007 hat er anläßlich seines vierzigsten Geburtstag den “Ohrenschmaus” gegründet, in deren Jury ich j durch den Otto bin. Er war, glaube ich, auch Behindertenvertreter der ÖVP, deshalb fanden viele Jursitzungen im Parlament statt und ist jetzt, glaube ich, Behindertenbeauftragter im ORF. Ein sehr engagiertes Leben also und in einem seiner Büros hängt auch ein Foto wo er im Rollstuhl durch die Lüfte oder Klippen springt und während der Pandemie hat er sich entschlossen ein Buch über das Leben mit Persönlicher Assistenz zu schreiben.

Einen personal Essay oder personalisiertes Sachbuch könnte man so sagen und das Buch hat mir auch neue Seiten auf Franz-Joseph Huainigg, den ich bisher als sehr verbindlich eingeschätzt hätte, eröffnet. Er hat auch viel Humor, muß er wohl, kann manchmal, was mich erstaunte, bissig sein und beschreibt sich selbst als ungeduldig. Das untermauert auch das Vorwort, wo er schreibt, was er sich durch seine Behinderung alles erspart. So muß er beispielsweise keinen Müll hinunterschleppen, will es also gar nicht anders.

“Scherz!”, fügt er gleich hinzu und interessant auch, daß in seiner Patientenverfügung steht, daß er mit allen Mitteln medizinisch versorgt werden will. In meiner steht etwas anderes. Aber ich bin ja nicht körperlich behindert. Kann mir das auch nicht vorstellen und hätte höchstwahrscheinlich, die größten Schwierigkeiten damit, was man ja schon an meiner Weigerin eine Maske zu tragen, was höchstwahrscheinlich auch neurotisch ist, sehen kann, als ich mir aber damals den Knöchel gebrochen habe, hatte ich nichts gegen eine Spitalseinweisung und habe mich auch widerspruchslos gegen Tetanus impfen lassen.

Ein sehr interessantes und wichtiges Buch, auf das ich aufmerksam wurde, als mich Franz-Joseph Huainigg zu seiner Präsentation und Geburtstagsfeier, fünfzehn Jahre selbstbestimmtes Leben oder so, ins Badeschiff am sechzehnten Juni einlud. Aber da waren wir in Harland und einen Tag vorher hatte die Lia ihren dritten Geburtstag. Also habe ich “Vielleicht kann ich das Buch besprechen!”, zurückgeschrieben und die “Bibliothek der Provinz”, die auch die “Ohrenschmaus-Bücher” macht, hat es mir freundlicherweise geschickt.

Am Anfang gibt es ein Vorwort, in dem Franz-Joseph Huainigg, der eine Frau und zwei Kinder hat, das alles beschreibt und schildert, wie sich seine Lähmung fortschritt. Am Anfang ist er mit Krücken gegangen und konnte auch Autofahren. Er hat Germanistik studiert und immer herausfordernde Aufgaben gehabt. Dann mußte er beatmet werden und brauchte ständige Persönliche Assistenz, um sich.

Wo bekommt man die her und was für Ausbildungen haben die?, habe ich mich auch schon gefragt. Es sind meist Studentinnen, die wie bei Frau Fallenstein, etwas anderes als Medizin studieren, werden aber eingeschult und müßen, was den Umgang mit den Beatmungsgräten betriff, auch eine Prüfung machen und auch dann können sie nur an dem von ihnen betreuten Patienten arbeiten.

Das ist so, wie ich meinen Vater damals Insulin spritzte. As Angehöriger darf man das alles, glaube ich, auch ohne Einschulung tun und Franz- Joseph Huainigg schult seine Betreuerinnen auch selber genau ein. Das heißt, er lädt sie zu einem Kennenlerngespräch. Am Anfang hat er ein Inserat “Junger Mann im Rollstuhl sucht eine Studentin zur Begleitung durch den persönlichen Alltag” aufgegeben. Da habe ich mir schon gedacht, das kann im Sinn der Me too debatte anders aufgefaßt werden und die Assistentin, die sich meldete, kam auch in Begleitung ihrer Freudnin, die ein Messer im Rucksack hatte.

Jetzt formuliert er genauer und lädt die Bewerberin, es sind meistens Frauen, die sich melden, auch zu Schnuppertagen ein, wo sie dann den betreuenden Assistentinnen zuschauen und überlegen können, ob sie das machen wollen. Man kann aber, wenn die Chemie stimmt, alles lernen.

Das Buch ist aber eine Einschulung in die Persönliche Assistenz, wo die veschiedenen Betreungsstufen genau erklärt werden, unterbrochen von vielen schwarzweiß Fotos mit Franz-Joseph Huainigg und seinen Betreuerinnen, die auch jeweils einen Essay geschrieben haben, wo sie über ihre Erfahrungen, Ängste, Zweifel, Gefühle, etcetera, berichten.

Ein Problem ist die Abgrenzung der Assistenz von der Betreuung durch Pflegefachkräfte. So berichtet Franz-Joseph Huainigg von einer U-Bahnfahrt mit seiner Assistentin, wo ihm eine Pflegerin angepflaumt hat, weil er im Parlament die Persönliche Assistenz durchsetzte und sie um ihren Berufsstand fürchtete. Sie verschwand aber bald als Franz-Joseph Huainigg sie aufforderte sie abzusaugen. Denn das können auch die normalen Krankenschwestern nicht und immer eine Diplomkraft, um sich herum zu haben, wäre zu teuer und die würde dann auch nicht kochen oder die Kinder betreuen.

Es gibt ein Beispiel, wie Frau Huainigg zu einem Spitalsaufenthalt eine Menge Polster mitbrachte, um blaue Flecken zu vermeiden, die Diplomschwester lehnte ab, war aber später dankbar dafür, als sie die Blessuren sah.

Es geht dann um die Frage, wie weit sich die Assistentinnen abgrenzen oder in die Familie eingliedern können oder sollen? Franz-Joseph Huainigg hat schon einige von ihnen zu seinen anderen Mitarbeitern gemacht, beziehungsweise einer eine Polizeiausbildung durch eine Gesetzesänderung ermöglicht, weil sie eineinhalb Zentimeter zu klein war, als früher verlangt wurde.

Am Schluß werden dann noch Fragen beantwortet, wie man zu einer Persönlichen Assistentin kommt, wer das fördert, wo man sich hinwenden muß und welche Arten von persönlicher Assistenz es gibt.

Wichtig ist das selbstbestimmte Leben, das Leute, die beatmet werden müssen, durch persönliche Assistenz führen können, während sie in einem Pflegeheim wahrscheinlich schnell ihre Eigenverantwortlichkeit verlieren und sich entmündigt fühlen.

“Ich führe ein Leben inmitten der Gesellschaft, wo Pflege zwar wichtig ist, aber nicht meinen Alltag bestimmt.”, steht so am Buchrücken und Franz-Joseph Huainigg ist wegen seines Engagements und seiner Entschlossenheit sicher zu bewundern.

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