Februar 33

Jetzt kommt eine Unterbrechung des dreifachen Buchpreislesen, nämlich ein Buch das mich in Zeiten, wie diesen, natürlich besonders interessiert. Denn ich habe es ja schon im März 2020 geschrieben, daß ich vor der Einschränkung der Freiheitsrechte mehr Angst als vor dem Virus habe und im “Winter der Literatur” von Uwe Wittstock bei C. H. Beck” erschienen, kann man lesen, wie sich ein Land innerhalb von vier Wochen in eine Diktatur verwandeln kann, denn da hat ja im Feburar 1933 Hitler die Wahl gewonnen und zum Reichskanzler geworden und der 1955 in Leipzig geborene Uwe Wittstock beschreibt in fünfunddreißig Kapiteln an Hand der damals lebenden Künstler, Politiker, etcetera, die Veränderungen und für welche Seite sie ich entschieden haben.

Und beginnt da schon am Samstag dem 28. Jänner, denn da ging Carl Zuckmayer mit seiner Frau Alice und seiner Mutter auf den Presseball. Klaus Mann ist auf ein Maskenfest gegangen und hat mit seiner Schwester Erika das Kabarett “Pfefferbüchse” geführt, außerdem lebten sie in damals nicht anerkannten sexuellen Beziehungen, Erika Mann heiratete später Gustav Gründgens, der auch homosexuell war.

Erich Maria Remarque, der gerade die “Drei Kameraden” geschrieben hat und mit “Im Westen nichts “Neues”, bei “Ullstein” erschienen, weil es von “S. Fischer” abgelehnt wurde, war auch auf dem Presseball. Thomas Manns Bruder Heinrich, der den “Professor Unrat” geschrieben hat, der mit Marlene Dietrich, als “Blauer Engel” verfilmt wurde, kommt vor und zwei Tage später, am 30. Jänner “Regiert dann die Hölle”, wie es Joseph Roth bezeichnete, der gerade den “Radetzkymarsch” geschrieben hat und an diesem Tag Berlin verläßt, während der rasende Reporter Egon Erwin Kisch, der gerade “China geheim” geschrieben hat und ein glühender Kommunist war, dorthin kommt und Hitler hat, wie schon erwähnt, an diesem Tag die Macht ergriffen.

Da wird noch gerätselt, wie lange der Spuck dauern wird und sich natürlich gehörig verschätzt. In dem berühmten Cafe Kranzler traf sich der Autor Georg Kaiser mit seinem Lektor Fritz Landshoff, vom “Kiepenhauer Verlag” und Harry Graf Kesser geht ins Hotel Kaiserhof, wo Hitler gefeiert wurde, zu einen Vortrag von Graf Coudenhouve-Kalergi, während der große Fackelzug vorüberzog, der in allen Rundfunkstationen übertragen werden mußte, aber medial für die Wochenschauen nicht so hinüber kam, so daß er im Sommer wiederholt werden mußte.

Nach einer Woche der Machtübernahme wird eine Notverordnung herausgegeben, die Hitler die totale Macht übergibt und am zehnten Februar hält Hitler eine große Wahlkampfrede in SA-Uniform im Sportpalast der Potsdamer Straße ab.

Bernhard Rust “ein Nazi der ersten Stunde” übernahm das preußische Kultusministerium. Der Schriftsteller Hans Johst ein Bewunderer Hitlers und enger Freund von Heinrich Himmler wurde zum Liter der staatlichen Schauspiele, was für Klaus Mann zum Problem wurde, da er ja dort seine Stücke zur Aufführung bringen wollte.

Interessant, daß es in dieser Zeit eine große Grippewelle in Berlin gegeben hat, die täglichen Infektionszahlen werden gemeldet und auch von einem Mund-Nasenschutz, der in Japan im freien benützt wurde. Man sieht, daß Wittstock seinem Buch aktuelle Bezüge zu geben versucht und während Hitler im Sportstadion spricht, tut das Thomas Mann in Gedenken Richard Wagner, erntet aber Protestbriefe.

Sein Bruder ist der Präsident der Abteilung für Dichtung in der Akademie für preußischen Künste und sucht da am sechsten Februar eine Sitzung auf. Dazu gibt es auch ein Foto, das allerdings von November 1929 stammt, auf dem Ricarda Huch, Alfred Döblin, Thomas Mann und andere zu sehen sind. Bei der Februarsitzung soll ein Protestbrief gegen ein Nazibuch geschrieben werden, woran man aber scheiterte.

“Eine Schutzstaffel für Schriftsteller” soll auch gegründet werden und wird von einem Bernhard von Brentano einberufen. Anna Seghers, Leonhard Frank, Alfred Döblin, Johannes R. Becher, Helene Weigel, Heinrich Mann, Hermann Kesten und Rudolf Olden vom Berliner Tagblatt waren dabei und ein dringender Appell “Widerstand gegen die NSDAP zu leisten ,wurde an den Litfaßsäulein auch plakatiert.

Dazwischen gibt es immer wieder Meldungen von Schlägereien, wo Kommunisten von Nazis ermordet oder angegriffen wurden.

Am elften Februar findet in der Akademie der Künste eine Sitzung statt in der Heinrich Mann und Käthe Kollwitz ausgeschlossen werden sollen, weil sie den Appell unterschrieben haben. Brechts Theaterstücke werden boykottiert und er läßt sich in eine Wiener Buchhandlung zu einer Lesung einladen, um ausreisen zu können, seine Freundin, die “kleine Lehrerin” reist dagegen wegen ihrer Tuberkulose in die Schweiz in ein Sanatorium. Oskar Maria Graf erhält auch eine Einladung Österreichs zu einer Lesetournee als Ausreisegelegenheit, seine Freundin weigert sich jedoch mitzufahren, weil sie erst die Wahl am fünften März abwarten will, um ihre Solidarität zu beweisen.

Am 27. Februar kann man im Kapitel “Reiseempfehlungen” sehen, wie viel Schriftsteller da zu Lesungen nach Wien aufgebrochen sind oder ihre Bücher dorthin schicken ließen. Heinrich Mann läßt sich von seiner Freundin einen Koffer zum Bahnhof bringen, fährt dort nach Frankfurt, um kein Aufsehen zu erregen und dann nach Frankreich und als Walter Mehring zu einem Vortrag des “Schutzbundes deutscher Schriftsteller” will, wird der von Maschka Kaleko gewarnt, daß dort schon die SA auf ihn wartet.

Ein Attentat auf Hitler wird vorgetäuscht und als Rudolf Dietzen oder Hans Falladat mit seinem Verleger in einem schicken Restaurant sitzt, erfährt er vom Kellner, daß der Reichstag brennt. Sie springen auf und wollen hin, die Frauen können sie dann nach Hause bringen und die Nazi nehmen das zum Anlaß alle Kommunisten erschießen oder aufhängen zu können, eine diesbezügliche Aufforderungen an die Polizisten hat es schon vorher gegeben.

Am achtundzwanzigsten Februar ist dann, wie Uwe Wittstock meint die “Diktatur da”, viele Schriftsteller und Widerständige wie Carl von Ossietzky, Erich Mühsam, Egon Erwin Kisch, etcetera werden verhaften. Die Notstandsgesetze setzen sämltiche Grundrechte außer Kraft und Thomas Mann, der aus der Schweiz wieder nach München zurück will, um seine Werke weiter zu schreiben, wird von seiner Familie dringend geraten, das “wetterbedingt oder aus gesundheitlichen Gründen” nicht zu tun, was dieser zuerst nicht verstehen will.

Am fünften März ist dann die “Stimmabgabe”, wo Mirjam Sachs, wie schon beschrieben, abgewartet hat, um gegen Htler zu stimmen. Dann setzte sie sich in den Zug in Wien und war dann dort so erschöpft, daß Oskar Maria Grafsie erst aus dem Abteil herausholen mußte.

Am achten März gab es dann schon die ersten Bücherverbrennungen, wo die Bücher aus den Buchhandlungen herausgeholt wurden und im Mai gab es dann die große, wo auf die Bücher von Oskar Maria Graf vergessen wurden, worüber er sich sich dann beschwerte.

Im letzten Kapitel “Wie es weiterging” werden die weiteren Schicksale von dreiunddreißig schon erwähnten Personen, wie Kadija Wedekind, die mit den Geschwistern Mann befreudet war, Max von Schilling dem Präsidenten des Kunstvereins, Else Lasker-Schüler, die nach Zürich emigrierte, Hanns Johst, “der sich zum wichtigsten Literaturfunktionär des dritten Reiches hochdiente” kurz dargestellt.

Ein interessantes Buch, das fast wie ein Krimi wirkt, da das ,was Uwe Wittstock aus Tagebüchern, Briefe, etcetera, recherchierte und tageweise darstellt. Spannend auch die Überlegung, wie weit man sich auf Zeugenaussagen verlassen kann?

Die Erinnerung kann erstens täuschen und dann versucht man sich wahrscheinlich in seinen Memoiren möglichst vorteilhaft darzustellen. Aber spannend trotzdem, packend interessant und wieder einmal viel gelernt, so daß ich das Buch wärmsten empfehlen kann.

2 thoughts on “Februar 33

  1. Inwiefern ähnelt dieses Buch Florian Illies “Liebe in Zeiten des Hasses” … es hört sich ja nahezu identisch an, als Sammlung, Dokumente, eingebundene Zeitzeugen-Kommentare. Bei Illies störte mich die andauernde Wertung und Herabwertung der Personen, die diese Ereignisse nicht zu verhindern wussten. Ich werde mal ein Blick in Wittstocks Buch werfen. Vielen Dank für den Tipp. Meines Erachtens ist Hermann Brochs “Die Verzauberung” unübertroffen, aber man lernt ja nie aus.

  2. Das kann ich nicht beantworten, weil ich das Illies Buch nicht kenne. An dem Wittstock Buch war für mich interessant, daß da das Monat, das heißt ,er beginnt im Jänner und geht bis in den März, Tag für Tag durchgegangen und aufgeschrieben wird, was da passierte.
    Wer ist da wo von den Nazis zusammengeschlagen worden, beispielsweise oder was Thomas Mann am Tag X machte, wie die Sitzung im Schriftstellerverband war, etcetera.
    Das habe ich sehr informativ gefunden und nach dem Lesen das Gefühl gehabt, viel über diese Zeit zu wissen, obwohl ich schon andere Bücher zu diesem Thema gelesen habe, beispielsweise das über “Wien 1938” .
    Das Broch-Buch kenne ich ebenfalls nicht, da sind die Ereignisse aber sicher authentischer, weil näher daran beschrieben und wahrscheinlich auch erlebt, während Wittstock in den Archiven recherierte, um ein spannendes Tagebuch daraus zu machen.

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