Die Übung

Jetzt wieder ein “Wagenbach-Quartbuch”, das ich als E-Book gelesen habe und das, wie ich ebenfalls glaube sehr ungewöhnliche Debut, der 1990 in Mailand geborenen Claudia Petrucci, die Literaturwissenschaft studierte und in Australien lebt.

Ungewöhnlich und vielleicht doch nicht so neu, manchmal an die Psychiatrie der Sechzigerjahre erinnernd, dann wieder an die künstliche Intelligenz, die ja jetzt en vogue ist, dann die Frage ist das jetzt frauenfeinlich oder nicht und am Schluß hat sich die gegen die Manipualiton der Männer vielleicht doch durchgesetzt. Die Olympa aus “Hofmanns Erzählungen” ist mir eingefallen, aber auch die “Frauen von Stepford” und dann geht e wahrscheinlich doch gut aus.

Viele Vorbilder für das Debut einer sehr jungen Autorin, die auch einen sehr ungewöhnlichen Sprachstil hat. Es beginnt mit einem Vorspann und der Erzähler ist Filippo, der Literatur studiert hat. Aber jetzt die immer leere Bar seiner Eltern weiterführt und Giorgia, seine Freundin jobbt in einem Supermarkt. Sie tut das sehr roboterhaft, hat Zwangsstörungen und Halluziationen, klammert sich an Rituale. Das Geld ist knapp. Filippos Mutter ruft an und erzählt von ihren Nöten und dann trifft Giorgia in ihrem Supermarkt ihren Schauspiellehrer Mauro, der ihr wieder eine Rolle anbietet. Giorgia hat vor einigen Jahren bei ihm gespielt, ist dann aber ausgestiegen und zu Filippo gegangen. Jetzt holt er sie zurück. Filippo wohnt den Proben bei und lernt Amelia, Mauros Schwester kennen und der Regisseur und Lehrer ist sehr autoritär und hat auch unkonventionelle Idee, wie vielleicht auch manche Regisseure.

Dann geht der Roman los. Gigorgia ist bei der Premiere zusammengebrochen und in d er Psychiatrie gelandet. Einer Privatklinik, liegt dort schon ein Jahr reglos da und wird mit Medikamenten vollgestopft. Paronoide Schizophrenie ist die Diagnose, aber die wird sowohl vom Chefarzt, als auch von Claudia Petrucci bezeweifelt.

“Paranoide Schizophrenie”, antoworte ich. “Aber der Arzt hat schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass diese Diagnose wenig aussagt. Sie dient nur dazu, etwas zu benennen, über das man nicht wirklich etwas weiß.”

Das ist das Altmodische an dem Buch und auch, daß Georgia entmündigt ist, der Vormund ist eine Tante, die sehr wohlhabend ist, währen Fiippo und seine Eltern aus eher ärmlichen Verhältnissen kommen. Sie wohnt in einem vornehmen Teil Mailand mit einer Haushälterin und erzählt Filippo, daß Gigorgias Eltern nicht, wie sie ihm erzählte bei einem Unfall verstarben, sonder die Mutter Suzid begangen hat, als Giogia fünf war. Die Tante zahlt die Privatklinik und in der taucht nun Mauro auf und liest Gigorga ununderbrochen aus Schakespeares “Was ihr wollt” vor. Die erwacht dann und rezitiert die Rolle der Hauptperson, was Mauro auf die Idee bringt mit Flippo ein Skript zu schreiben, um sie wieder ins Leben zu holen. Der Chefarzt ist einverstanden und spricht von Pychodrama und nach dem Skript von Mauro reagiert Gigoria sehr unterwürfig und hat keine eigene Meinung. Weiß nicht, was ihr gefällt und sie anziehen soll putzt bei dem Besuch bei Filippos Eltern, die ganze Zeit manisch herum, weil sie liebenswürdig sein will.

Das Skript wird umgeschrieben. Filipo tut das, auf Mauros Veranlassung. Giorgia wird entlassen und reagiert nun aber erstaunlich selbstbewußt, was Filippo, der ja das Skript geschrieben hat, auch nicht recht ist. Sie will wieder Theaterspielen statt in den Supermarkt, läßt ihre Entmündigung aufheben und will, daß Filippo auch etwas anderes macht, als in der Bar zu jobben und immt auch Amelia, Mauros Schwester ihre Rolle weg, weil sie glaubt, sie besser spielen zu können.

Das ist Filippo auch nicht recht. So wird das Skript wieder umgeschrieben und Giorgia soll in den Supermarkt zurück. Dann tritt <mauro als Retter auf und bringt sie ans Theater zurück und Filippo, der als Figur eher blaß bleibt, scheint sich mit Amelia zu verbinden.

Wirklich interessant könnte ich diesmal schreiben. Eine erstaunliche Interpretation eines altbekannten Themas neu geschrieben, wobei mir nicht so klar war, wie weit sich nun Giorgia wirklich emanzipiert oder weiter den Launen der Männer, die mit ihr spielen, widerspruchslos ausgesetzt ist. Nicht ganz leicht zu lesen, aber empfehlenswert sich in das Debüt von Claudia Petrucchi einzlassen, das, glaube ich, auch auf Englisch und Französisch erschienen ist, einzulassen.

Und interessant ist auch, daß die Umprogrammierung oder wieder ins Leben zurückrufen der Figur der Giorgia als “Übung” bezeichnet wird. Und die Verbinung der psychischen Krankheit zum Theater ist auch sehr spannend.

Interessant ist auch das Buch mit Martina Cavaldetschers “Erfindung des Ungehorsams” zu vergleichen.

Der letzte Huelsenbeck

Buch vier der Bloggerdebutshortlist und wieder kann ich mich über die Zusammenstellung der ausgewählten Bücher nur wundern, ein paar höchstpoetische, wie sie die Literaturwissenschaftler wahrscheinlich lieben, sind dabei und dann immer wieder das realistisch phantastisch oder was auch immer, Gegenstück, das war 2016 der  Uli Wittstock, mit seinen Rechtschreibfehlern, im Vorjahr wahrscheinlich “Oder Florida” und jetzt ist mit dem “Letzten Huelsenbeck”, ein solch irrwitziges und wahrscheinlich nicht poetisches Buch dabei, von dem ich mir aber lange nicht sicher war, auf welchen Platz in meiner Reihenfolge ich es stellen soll, wie ich überhaupt die heurige Shortlistauswahl, das Buch der Bettina Wilpert habe ich noch nicht gelesen, für sehr gut halte und ich liebe ja die realistischen Romanen, die vom Wahnsinn und vom Leben handeln, von den ICD Diagnosen und den Drogencocktails, bei den letzteren kenne ich mich nicht so aus und kann daher auch nicht unterscheiden, ob es sich in dem Buch, um eine reine Psychose oder um eine durch Drogen induzierte handelt.

Gut, das Daniel S. Drogen nimmt ist kein Geheimnis, das gibt er selber zu un schreibt darüber. Er ist auch in einer Anstalt, wie Joachim Meyerhoff aufgewachsen und er geht schon zu Beginn des Buches zu einem allerdings auch durchgeknallten Psychiater und läßt sich ohm einen Pharmacocktail verschreiben.

Das alles deutet auf ein enormes Fachwissen oder eine hervorragende Recherche des 1956 geborenen Christian Y Schmidt hin, der in verschiedenen Satire- und anderen magazinen arbeitete und sowohl in Berlin, als auch in Peking lebt.

Für einen Debutanten nicht  sehr jung, aber Ljuba Arnautovic ist noch älter und Daniel S., der Protagonist lebte auch mehrere Jahre in Asien und kommt zu Beginn des Buches von dort zurück, um an einem Begräbnis teilzunehmen.

Auffallend ist, daß er gleich zu Anfang an von seinem Tod spricht und später in seinen Tagebuchnotizen immer wieder davon schreibt, wieviele Tage er noch zu leben hätte. Später schreibt der ihm behandelte Psychiater dann von einem “Cotard-Syndrom”, keine Ahnung, ob es das wirklich gibt, da müßte ich erst googlen. Das sind aber die, die sich einbilden gestorben zu sein, aber  noch leben und bis man dahin kommt, geht es auf fast vierhundert Seiten auf eine irrwitzige Reise durch Berlin, durch eine Psychose,  einen permanenten Drogenrausch oder, wie man das auch nennen will.

Richard Huelsenbeck, auch da müßte ich erst googlen, war ein deutscher Dadaist und der letzte Huelsenbeck heißt das Buch, weil Daniel S. sich in den Siebzigerjahren, es ist auch ein Buch über dieseZeit, in der ich Psychologie studierte, mit der Elfi zwar einmal nach Amsterdam fuhr, aber nicht einmal einen Joint versucht habe, mit ein vier Freunden “Die Huelsenbecks” eine Dadagruppe gründete, in der er, wie die “Wiener Gruppe” Aktionen machte, wie beispielsweise einen Weihnachtsmann vom Dach zu schmeißen, der dann fast einen Kinderwagen getroffen hätte.

Der Höherpunkt der Aktionen war eine Amerikareise im Jahr 1978 der fünf. Dann trennte sich die Gruppe, Daniel S. ging als Reisejournalist nach Hongkong. Jetzt ist er zurückgekommen, steht am Grab seines Freundes Viktor und fängt sich zu erinnern an.

Das heißt, so einfach ist das nicht, denn zuerst schmeißt Ronny einen Lachsack in das offene Grab, es kommt zu einer Schlägerei, Daniel wird von einem Stein getroffen, daraufhin wird er wieder in der Anstalt, wo er aufgewachsen ist und später auch Pflegehelfer war, ob seine Eltern dort arbeiteten oder er nur nebenan wohnte, wurde nicht so klar, behandelt.

Er beginnt ein Tagebuch zu schreiben, nach Berlin, wo er eine Wohnung hat, zu reisen und seiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen und die ist mehr als turbulent und wechselt auch mehrmals, die Perspektiven, so daß man sich sehr konzentrieren muß, um bei all den Wendungen auch mitzukommen und den Faden nicht zu verlieren.

Denn Daniel sauft und kifft gewaltig, sieht sich auch überall verfolgt, es tauchen irgendwie lädierte Kinder auf, er beginnt mit Vögel zu sprechen, sieht eine Claire, die die fünf eine Zeitlang auf ihrer Amerikareise begleitete, dann verschwunden ist und jetzt überall, wie der tote Viktor auftaucht und Daniel geheimnisvolle Botschaften zuruft.

Er versucht, weil er sich an das alles nicht erinnern kann, aber überzeugt ist, Claire damals in Amerika ermordet zu haben und jetzt von ihr oder ihrer Familie gerächt zu werden, auch die drei anderen noch lebenden Huelsenbecks, Ben, Ronny und Michi auf, wird da aber nicht fündig, denn sie entziehen sich und beginnen ihm nur Botschaften aus dem Netz zu senden oder ihn zu erpressen.

Es gibt auch Briefe, die er seiner früheren Freundin aus Amerika schickte, die er jetzt erforschen will und  fast am Ende, stopft er sich mit allem voll, was am Markt zu kriegen ist, er hat einen Superdealer, stellt sich auf die Straße, beginnt dort einen Armoklauf, so daß er in eine andere Anstalt eingewiesen wird und ein Professor Dr. Hans Pryzgodda schließlich einen Fallbericht über ihn schreiben kann.

Ein äußerst spannend geschriebenes Buch, wo ich die Psychose, die mir meine Freundin Elfi auch in den Siebzigerjahren, einmal erzählte, gut nachvollziehen konnte, wie das mit dem Beziehungswahn sein kann und wie ein solcher erlebt wird. Eine Satira auf den P.sychiatriebetrieb ist es sicher auch. Ein rassant geschriebenes Buch, das mir authentisch scheint. Literarisch ist es wahrscheinlich nicht zu nennen und jetzt bin ich auf die Bewertung der anderen Mitjuroren gespannt.