Im Glasberg

Weiter geht es mit der Lyrik, in Zeiten, wie diesen sicher ein guter Tip, sich vermehrt damit zu beschäftigen und “Schöffling & Co”, der ja offenbar ein gutes Händchen dafür hat, hat neben seinem “Jahrbuch” auch noch einen Extraband mit Gedichten, der 1981 geborenen und in Berlin lebenden Nadja Küchenmeister herausgebracht, von der es im gleichen Verlag auch schon zwei andere Bände, nämlich “Alle Lichter”,2014 erschienen und “Unter dem Wacholder”, die mir trotz aller Lyrikfestivals der “Alten Schmiede” und dem Lyrikmonat in der “Gesellschaft” bisher verborgen geblieben ist.

“Die Gedichte sind zart und schonungslos zugleich. Nadja Küchenmeister versteht es, Stimmungsbilder zu erzeugen, die uns nicht mehr loslassen”,steht im Klappentext. Das schmale hundert Seiten Bändchen hat einen dunklenblauen Umschalg auf dem eine Mondscheibe glänzt und einige Abteilung.

Das Titelgedicht “im glasberg”, gibt es auf den ersten Seiten zu lesen, dann gehts zur “hellen mitte”:

“ich rauke durch die stadt, entlang des strangs, diebahn bleibt in der bahn, ich rauke mich heran ans wuhletat zwanzig winter weit verdammt, und ichb in wieder da”.

Interessant finde ich das Wort “rauke” oder “rauken”, das mir bisher unbekannt gewesen ist. Das Gedicht hat fünf Teilgedichte, dann gehts zu den “wurzeln” und hier zu “am grund”:

“an der wäscheleine keine wäscheklammern wo eine Pfütze war, war keine pfütze mehr wo keine bäume standen, standen bäume”.

Und zu den “wurzeln” ist vielleicht noch hinzuzufügen:

“nach hause gehen: ich zähle deine hemden, socken, unterhosen, entwirre die kabel unter dem tisch, schwarze wurzeln, die keinen anfang und kein ende haben.”

Dann gehts in den “mittelfellraum”. Die nächste Abteilung heißt “wenn ich dir nur einen brief”, da fehlt was, würde der strenge Sprachkomissar jetzt wohl vermelden, aber Dichtung kommt ja vom verdichten und wir treffen hier auch gleich das uns schon vom “Jahrbuch” bekannte Raupengedicht an.

“lange nicht gesehen, rauperich, ich habe aufgeräumt geträumt: ich war so weniglich, du wast so rauperich noch mal deine briefe gelesen, jedes wort vergiss mein nicht”

“die helle seite des mondes” gibt es natürlich auch, bevor es an “das trödeln am rand kleiner straßen”, geht.

Bei “resopal” geht es um die “schwarze wäsche”:

“und dann die wäschestücke, die immer schwarz und immer wäsche waren, und hecke und ein blick voll hecke”, bevor es in der “dunklen mitte” zum Gedicht, wie ich meine, der Stunde geht, das ich gerne in Zeiten, wie diesen unseren Entscheidungsträgern ins Stammbuch schreiben oder an die Stirn heften würde:

“man spricht von tagen, spricht von wochen sprich von monaten, wer spricht von jahren? verbandswechsel, darauf kommt jetzt alles an

lass das licht an, lass den ton an, lass mal bitte einen fachmann ran an dein organ. leben ist keine saubere sache. schlaf gut, ordensmann.”

Schade, daß ich keine Lyrikerin bin, so hätte ich das Gebot der Stunde auch gern zusammengefaßt und dann gehts schon an das Ende, wo Nadja Küchenmeister, “es beginnt, wo es endet”, schreibt.

“es beginnt immer hier, im frühjahr, in der warmen luft es beginnt mit einem atemzug und so endet es

bleibst du, bis du wieder gehst, und es endet ohne tür”, und ich habe eine sehr interessante Stimme, die in der bei den modernen Lyrikerin wohl üblichen Kleinschreibung und in feinen zarten Zeilen die Welt erklärt und die mich, was ich gar nicht so erwartet habe, sehr beeindruckt hat, die ich mir sicher merken werden und auch hoffe, sie möglichst bald vielleicht in der “Alten Schmiede”, der “Gesellschaft” oder im Literaturhaus persönlich kennenzulernen, wenn es dort wieder Veranstaltungen gibt.