Ein Sommer in Niendorf

Jetzt kommt eine Neuerscheinung bei der in hin- und hergerissen bin, nämlich der neue Roman des 1962 geborenen Heinz Strunk, der im Vorjahr mit “Es ist immer so schön mit dir” auf der Longlist des dBps “gestanden ist und das mir nicht gefallen hat, weil wieder ein “weißer alter Mann”, der über seine Frauenerfahrungen schreibt, obwohl ich diesen Ausdruck ja nicht mag.

Jetzt ist es eigentlich wieder dasselbe, aber da hat mir am Anfang vor allem die Sprache und Heinz Strunk kann wahrscheinlich wirklich so schreiben, daß ich mir ein Vorbild nehmen könnte, sehr gefallen. Aber die Themen sind diesselben und da ist der Held über den sich Heinz Strunk wahrscheinlich auch lstig machen wollte, ein Arschloch oder vielleicht auch wieder nicht, denn ein armer Looser.

Irgendwo habe ich gelesen, daß es eine Parodie auf Thomas Manns “Tod in Venedig” sein könnte und Thomas Mann wird in dem Buch auch erwähnt.

Da ist jedenfalls ein Dr. Roth, ein Jurist, um die fünfzig schätze ich, der keine finanziellen Sorgen hat, sondern Geld offenbar in Hülle und in Fülle, geschieden und eine Tochter und der hat sich ein Sabbatical genommen und sich mit diesen für drei Monate nach Niendorf, wo auch die “Gruppe 47” tagte zurückgezogen, um dort ein Buch über seine Familie zu schreiben.

Und der Anfang, wo er seine Tage in dem Ostseebad und die Fischbrötchen, die er dort konsumiert schildert, ist sehr spannend. Er hat sich da ein Appartement gemietet, das von einem Herrn Breda verwaltet wird, den er für einen Alkoholiker hält und ihn deshalb verachtet und der läuft ihm am Anfang ständig übern Weg. Denn er hat auch einen Likörladen und dreht am Abend die Strandkörbe um.

So weicht Roth ihm aus. Man erkennt aber bald, daß er auch viel trinkt, zu jeder Mahlzeit eine Flasche Wein und kommt mit seinem Buchprojekt nicht zurecht.

Die Stellen habe ich auch sehr schön gefunden, wie er über das Schreiben reflektiert und über die Gedenk,tafel, die an die “Gruppe 47” erinnert, stolpert.

Er holt sich dann eine Frau für ein Wochenende und geht mit ihr in ein Hotel. Das sind die Stellen, wie er über die Frauen spricht und mit ihnen umgeht, die mir nicht so gefallen.

Weil ihm Breda auf die Nerven geht, fährt er ein paar Tage in seine Wohnung, um dort die Wäsche zu waschen. Seine Tochter, die Geld von ihm will, trifft er auch. Da verhält er sich ziemlich gemein und als er wieder zurück in das Ostseebad fährt, wird es vollends grotesk und die Geschichte entgleitet, könnte man so sagen.

Er fährt einen Asylwerber nieder, der von ihm Hilfe will oder schleift ihn über die Autostraße, hat dann Angst, daß ihm die Polizei erwischt. Er bekommt auch neue Nachbarn, ein nettes altes Ehepaar, das ihm zum Essen eindädt und sich um ihn kümmert, als bei ihm der Strom ausfällt. Er verliebt sich in eine Kellnerin und steigt ihr ungut nach oder versteigt sich in Größenphantsien und dann kommt Breda mit einer Freundin, die von Strunk, als ungut und fett geschildert wird.

Dann wird es fast so, wie bei Elias Canettis “Blendung”. Er verfällt Breda und seiner Freundin Simone. Breda bekommt einen Schlaganfall. Er muß ihn vertreten und am Schluß scheint er seine Rolle einzunehmen. Also sozial abzusteigen. Er geht mit Simone eine Beziehung ein, betreibt den Schnapsladen und dreht die Strandkörbe um.

Exzellent geschrieben, denke ich, das Buch ist wahrscheinlich auch ein Gedenken der “Gruppe 47”, obwohl ich Heinz Strunk, der auch das Buch von Heinz Böttinger gelesen haben dürfte, darauf hinweisen möchte, daß die sich nicht 1990, wie auf Seite 29 und 77 steht, sondern, wie ich “Wikipedia” entnehme, 1967, aufgelöst hat.

Sonst gefällt mir das, was da beschrieben wird, nicht so sehr, weder, wie die “weißen alten Männer” mit ihren Frauen umgehen, noch, daß sie vielleicht doch nicht so großartig sind, wie sie denken, sich todsaufen und sozial absteigen und der Sommer dann sozusagen in einem Abgrund endet.