Autolyse Wien

Jetzt kommt mein drittes Geburtstagsbuch, das ich mir im Vorjahr vom Alfred wünschte, nämlich Karin Peschkas “Autolyse Wien”, die “Erzählungen vom Ende”, das 2017 auf der LL des östBp stand und das ich gerne lesen wollte, weil ich ja sozusagen eine Karin Pschka Experitin bin, beziehungsweise von ihr schon sehr viel gelesen und gehört habe. Dabei kann ich nicht einmal sagen, daß mir ihre beiden Bücher, so besonders gefallen haben, sie  haben aber einen speziellen Ton und das findet man auch in der “Atolyse” wieder, von der ich, obwohl ich ja beim “Bachmannpreis” daraus hörte und auch bei den O Tönen war, jetzt erst mitbekommen habe, daß es Erzählungen sind und zwar sehr viele kurze Geschichten und kein Roman und das ist ja auch etwas mit dem ich eigentlich keine sehr große Freude habe.

Aber ein roter Faden hält das Buch zusammen und das ist interessant, das Ende, Wien ist irgendwie und irgendwann zerstört worden. Die Apokalypse hat stattgefunden. Das wie und das wann, spielt wie im Kappentext steht, keine so besondere Rolle, denn Karin Peschka erzählt von den Menschen, die übergeblieben sind und das auf eine sehr spezielle eindrucksvolle Art, die eigentlich sehr interessant ist.

Es gibt drei Teile, im ersten werden auf  über hundert Seiten, kurz von den Menschen und dem, wie sie nach der Katastrophe leben, erzählt.

Da steht immer ein Name, wie Erik, Olja, Rose und und und daneben “Wien leergeräumt” oder “Wien ohne Wien?” und das ist auch sehr geheimnisvoll und scheint eine Spezialität Karin Peschkas zu sein, die mir, glaube ich, auch mehr zusagt, als die Apokalypse im “Watschenmann”, das auch ein ähnliches Thema hat und in einem zerstörten Nachkriegs-Wien spielt.

In den kurzen Geschichten werden wir in die Zerstörung eingeführt. Da wankt der Mann ohne Namen, beispielsweise, der früher von den Obdachlosenküchen lebte, in ein zerstörtes Geschäft oder eine Frau läßt sich von ihrem Freund für ihre Menstuation Binden holen, der wundert sich, daß sie noch eine hat, geht dann in einen zerstörten Eissalon und holt dort Servietten,  abgelaufene Waffeln und Obersbecher, wo die Frau dann das Obers auf die Waffeln tropft.

Poetisch zart diese Geschichten vom Weltuntergang, wobei dieser wahrscheinlich bei jeder der handelnden Personen  ein ganz anderer und ein sehr Persönlicher war.

Da gibt es Imre, der mit zwei Hunden, die sich gegenseitig beäugen und bewachen und gelegentlich sogar ein Reh zerlegen, wie kommt ein Reh in die Stadt, Karin Peschka verrät es uns nicht, aber es gibt in Wien ja den Wiener Wald, Schönbrunn und den Lainzer Tiergarten, das Imre dann zerlegen und auswaiden muß und hat als Bibliothekar, der in seiner Bibliothek das Theoretische erlernte hat, nun Gelegenheit sich dem Praktischen zuzuwenden, während Sugar, die alternde Schauspierlin ihrem Publikum noch immer große Vorstellungen in die Welt der Sylvia Plath, ihrem Vorbild gibt und sich dabei mit ihrem Mann Johann, dem Regisseur streitet.

Und die vier Brüder, die alle einen Vornamen mit dem Buchstaben H tragen, ziehen mit dem kleinen behinderten Hans, der Zollstöcke sammelt herum, haben sich in einem zerfallenen Wirtschafts-Hotspot an der Donau und in Praternähe, ob das wohl die Wirtschaftsuni ist, bequem gemacht, denn die drei Nichtbehinderten waren Handwerker <installateur, Elektriker und Maurer von Beruf und die Supermärkte haben sie rechtzeitig auch geplündert, weswegen auch ein paar von Hans Zollstöcken verlorengingen.

Ivelina ist von Beruf Krankenschwester und arbeit in St. Pölten, einmal im Monat setzt sie sich nach Mitternacht ins Auto um nach Wien zu ihrer Tochter und Schwiegersohn zu fahren und dort zu übernachten. Sie ist schon geduscht, die Zähne sind geputzt, den Pyjama hat sie auch schon zur Hälfte an, nur leider hat sie das Unglück mit einem “Trommelwirbel” auf der Autobahn überrascht, sie hat sich dabei den Arm gebrochen, den sie sich zwar selbst verarzten, verbinden und sich gut zureden kann. Das Auto ist aber ein Wrack geworden “Don` t you know that I love you Baby”, summe Ivelina, die Szene betrachtend, verunfallte Autos vor sich, darin war sicher kein Leben mehr.”

Und die Gläubigen gibt es in dieser Szenerie auch, von jeder Kirche einer, vegetieren sie so vereinzelt vor sich hin, versuchen Statuen zu retten, die andere vorher erschlagen haben, suchen nach dem göttlichen Prinzip oder verlieren ihren Glauben, während Karl im Stadtpark die Bank wieder aufgestellt hat, in der er seiner Frau vor Jahren aus Bequemlichkeit kein Herz der Liebe hineingeritzt hat.

Sie sind mal kürzer und mal länger die einunddreißig Namensgeschichten, mal mehr und mal weniger intensiv ausgeführt. Da wird von Wohngemeinschaften, Unfällen, Mißbrauch etcetera, mehr oder weniger lang geschrieben.

Beeindruckend die Geschichte des Wohnberaterlehrlings Anna, die in einer solchen Zweckgemeinschaft lebt und vor der großen Katastrophe fast ausgelernt gewesen wäre. Da sah sie eine große Zukunft als Wohnberaterin vor sich, jetzt sucht sie nach dem Möbelhaus, um sich vielleicht ein paar gute Möbelstücke in die Zweckgemeinschaft zu transportieren und findet es nicht.

Frau Widehopf, die Siebenundsechzigjährige, die mit ihrer Friseurin Frau Helga vereinbart hatte, sich ab fünfundneunzig nicht mehr dieHaare zu färben, wird in ihrer gemütlichen Wohnung eingeklemmt. Sie kann nicht mehr ins Vorzimmer hinaus, wo die Tasche mit dem Handy liegt, denn Frau Widehopf ist eine agile Alte, die sich auskennt, in der Welt der Smartphoneltelefonie. Leider ist ihr die Kommode auf das Bein gefallen. Jetzt sitzt sie da mit ihren Medikamenten am Schoß, rechnet sich die Blutvergiftung und den Wundbrandt aus und bereitet sich aufs Sterben vor.

Ähnlich eindrucksvoll, die Geschichte von dem demente Alkoholiker, der entlassen und besachwaltert in einer betreuten Wohngemeinschaft, sich auf seinen Selbstmord vorbereiten wollte. Die Medikamente hat er angespart und vergessen, als er sich den Schnaps mit dem er sich betrinken kaufen wollte. Dann kam die Katastrophe. Der Zerfall Wiens ist seinem Selbstmord zuvorgekommen, sein Gehirn regeneriert sich und er beginnt mit Äpfel und mit Nüssen zu überleben.

Dann geht es an das “Ich”, das in sieben Abschnitte aufgeteilt ist. Eine Frau mit einer Autoimunerkrankung, für die sie Medikamente benötigt, hat sich im Sternwartepark eingebunkert, das heißt eigentlich hat sie sich hinausgesperrt, denn die Tore alle zu mit Schlößern, die sie aus dem “Libro” plünderte. Dort vergräbt sie Lebensmittelreserven und bereitet sich auf ihr Sterben beziehungsweise ihre Verwesung vor. Eine Beziehung zu Hunden, wie auch im “Wiener Kindl”, das Stück aus dem Buch, das Karin Peschka in Klagenfurt gelesen hat, gibt es auch.

Das “Wiener Kindl” hat drei Teile und Wolfgang Tischer vom “Literaturcafe” hat sich, glaube ich, im letzten Jahr sehr darüber mokiert, daß man der Autorin das “Kindl” nicht weglektorierte, aber das ist ein Wiener oder vielleicht auch Oberösterreichischer Ausdruck und das Kindl hat auch eine Behinderung oder chronische Krankheit, mußte Medikamente mit einem Silberlöffel nehmen, eine Windel tragen, hat Ergotherapie bekommen, dann kam die Katastrophe. Haus zerstört, Eltern und Brüder verschwunden. Das Kindl steigt aus dem Gitterbett, schleppt sich in den Garten, wo schon die Hunde warten, in dessen Gesellschaft es fortan leben und die Herrschaft über sie erheben wird.

Eine tolle Geschichtensammlung über den Tod, das Sterben und den Zerfall in denen mir Karin Peschkas skurrile Phantasie mit der sie genüßlich, die unglaublichsten Szenen zelebriert, glaubhafter, als in “FanniPold”, beispielsweise, das mir trotz mehrerer Lesungen, immer noch ein wenig unverständlich ist, erschien.

So über die Apokalypse und den Weltuntergang zu erzählen, so poetisch und skurril erscheint mir als das Neue in der Literatur, wie die Kritiker ja immer verlangen, daß sie das haben muß.

Schade, daß es im Vorjahr nicht auf die Shortlist des Öst gekommen ist, dennHand aufs Herz Karin Peschkas Hunde und Menschengeschichten, die nur wenig Kommunikation zueinander haben, haben mir besser als Eva Menasses “Tiere für Fortgeschrittene” gefallen, was auch für manche andere Shortlistbücher gilt. Ausgenommen das dBp-Siegerbuch,  Brigitta Falkners “Strategien der Wirtsfindung” habe ich nicht glesen und das Longlistbuch des Doron Rabinovici hat mir auch sehr gut gefallen.

Jetzt ist Karin Peschka  Stadtschreiberin in Klagenfurt und soll sich dort, wie ich gelesen habe, den Klagenfurtern regelmäßig für Texthilfen zur Verfügung stellen, was auch  einungewöhnlicher Einfall der Autorin ist.