Immer ist alles schön

Jetzt kommt noch ein Debut, nämlich der Roman, der 1983 in Tansia geborenen und in Zürich lebenden Julia Weber, die damit den “Franz-Tumler-Literaturpreis” gewonnen hat. Ein sehr poetisches Buch, das auf eine sehr poetische Art und Weise, wie man sagen könnte, das Leben von zwei Kindern und ihrer alleinerziehenenden Mutter erzählt, das eigentlich gar nicht so schön ist. Ganz und gar nicht ist das Leben solcher vom Jugendamt betreuten Kinder, die nicht zur Schule gehen, deren Müutter Bartänzerinnen sind, in der Realität höchstwahrscheinlich.

Julia Weber macht ein Poem daraus und es gibt im Anhang oder im letzten Teil des Buches auch Zeichnungen, die das Ganze noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise sehr poetisch erklären.

Im Interview erklärte Julia Weber, die  am Literaturinstitu von Biel studierte und Daniil Charms, Aglaia Veterany und Nathalia Ginzburg, also auch sehr poetische Autoren, als ihre Vorbilder angibt, daß sie für das Buch länger keinen Verlag gefunden hat, weil es denen zu unfertig schien.

Jetzt ist es fertig und in dem wahrscheinlich eher kleinen “Limmat-Verlag” erschienen, der mir auch die “unbekümmerten Anarchistinnen” zugeschickt hat und es ist wirklich ein sehr beeindruckendes Buch und eines, wie man es vielleicht noch nicht sehr oft gelesen hat und es beginnt auch sehr beeindruckend.

Ich wünsche mir einen Urlaub voller Feuer und Fernweh und Bruno wünscht sich einen Alkohol!”, ist der Beginn und dann ziehen Anais, die Ich-Erzählerin, ihr jüngerer Bruder Bruno, der weise und intellektuelle mit der Mutter Maria los und sie landen auf einen Campingplatz.

Die Mutter nennt die Kinder “Meine Tierchen” und das könnte auf der einen Seite abwertend klingen. Tiere spielen in dem Buch aber eine große Rolle und man merkt es gleich oder auch nicht, diese Mutter liebt ihre Kinder, auch wenn in dieser Beziehung, alles sehr ungewöhnlich ist.

Denn der kritische Bruno will  keinen Alkohol, die Mutter aber liebt einen Becher Wein, den sie auch trinkt und dann kommt noch ein Mann und führt die Mutter zum Tanzen aus. Sie wehrt sich zuerst, einigt sich dann auf einen Tanz und kommt nicht zurück, so daß die Kinder sie erst holen müßen.

Die Mutter ist, erfährt man etwas später, Bartänzerin und der Besitzer der Bar, Fred ist ihr Freund. Es kommen dann auch Kapitel, in denen die Mutter von ihren Schwangerschaften und wieder sehr poetisch von ihrer Lebe zu den Kindern spricht.

Aber ganz scheint sie das nicht zu schaffen, denn es kommt zu einem Besuch von einem Riesen, das ist, stellt sich heraus oder man kann es sich so deuten, ein Sozialarbeiter vom Jugendamt auf Hausbesuch, weil die Kinder nicht zur Schule gehen. Die Wohnung scheint auch vermüllt. So ganz einfach ist das durch die poetische Sprache nicht zu erkennen und gerade diesen Kontrast finde ich, die ich ja heuer schon einige Debuts gelesen und gehört habe, sehr ungewöhnlich und neu.

Die Mutter verschwindet dann auch, läßt die Kinder mit einem Brief zurück, daß sie zur Nachbarin gehen sollen, wenn sie was brauchen. Es kommt der Riese wieder, um die Kinder zu betreuen oder sie aus der Wohnung zu locken. Er bringt ihnen auch Essen und erzählt ihnen von seinen Kindern, was ein Sozialarbeiter wahrscheinlich normalerweise auch nicht so einfach tut und in dem Teil “Zeichnungen” wird die Geschichte dann noch einmal in der Bildersprache nacherzählt.

Spannend, spannend dieses ungewöhnliche Debut und fast eine wenig an Michelle Steinbecks “Mein Vater war im Land ein Mann und ein Wasser ein Walfisch” erinnernd, aber eigentlich viel weniger verstörend, obwohl das, was hier erzählt wird, auch nicht gerade lustig ist und bei “Amazon” gibt es, und das ist auch sehr interessant, derzeit sowohl eine Einstern als auch eine Fünfstern Rezension, die Fünfsternrezension ist sehr genau und erzählt von den Unterschieden der beiden Kinder und dem Sinn des Buches, das ein Leben erzählt, in dem eigentlich gar nicht so viel Schönes passiert.

Die Einstern Rezension meint, das Buch wäre langweilig geschrieben, stimmt so ganz leicht zu verstehen ist es nicht und man muß sich wohl auch auf die poetische Sprache einlassen und die Realistin in mir schreit auch gleich, ganz so einfach ist es nicht.

Trotzdem bin ich von Julia Webers Bildern und Poetik sehr beeindruckt, denn einen Sozialarbeiter mit einem Riesen zu vergleichen, muß einer erst einmal einfallen und so würde ich sagen, daß manche Stellen, wie beispielsweise, der erste Satz oder die Riesenmetapher sehr beeindruckend sind, während manches vielleicht nicht so ganz einfach zu verstehen ist und, ob die schöne Sprache über eine triste Wirklichkeit hinwegtäuschen kann, ist wohl immer die Frage, obwohl ich zugeben muß, daß das Julia Weber beeindruckend gelungen ist.

 

Zehn unbekümmerte Anarchistinnen

Jetzt kommt nach all den österreichischen Neuerscheinungen und Buchpreislesen ein Buch aus dem wahrscheinlich kleinen oder feinen Schweizer “Limmat Verlag”, der mich Anfang September, als ich gerade den deutschen Buchpreis gelesen habe und durch meine Besprechung von “Katie” aufgefallen bin, angeschreiben hat und mir die Fahnen und eine Menge Informationsmaterial über Daniel de Roulets “Zehn unbekümmerte Anarchistinnen” geschickt hat.

Der 1944 in Genf geborene Architekt Daniel de Roulet scheint ein “Lmmat-Hausautor” zu sein, hat er doch schon zehn Bücher dort veröffentlicht.

Jetzt ist das Buch erschienen und ich denke es ist auch ein kleiner feiner Bericht über das, was vielleicht abseits des Literaturbetriebs so passiert und es dem Zufall, dem Anschreiben des Verlags, der Literaturagentur oder die offenen Bücherschränke braucht, um es zu entdecken.

Die zehn unbekümmerten Anarchistinnen, sind zehn Schweizer Frauen, die in einem kleinen schweizer Uhrwerker-Dörfchen aufgewachsen sind und Ende des neunzehnten Jahrhunderts nach Südamerika auswanderten.

Ob wahr oder Fiktion habe ich nicht ganz herausgefunden. Im Klappentext steht etwas von “Auf der Basis historischer Dokumente und mit Hilfe seiner Imignation erzählt Daniel de Roulet das Schicksal von zehn Frauen, die in einer Zeit, die ihnen nichts zu bieten hat, die Freiheit suchten.”

Am Cover ist eine alte Fotografie abgebildet, die wahrscheinlich so einen Vorraum zu einem Auswanderungsschiff oder schon eine diesbezügliche Ankunftshalle zeigt, Frauen Mädchen, Kinder sitzen da auf Bänken und schauen eher frustriert vor sich hin oder in die sie fotografierende Kamera.

Und das Dorf-, in dem die zehn Frauen, erzählt wird der Bericht von einer Valentine, die sich tapfer weigerte sich in Patagonien Tina nennen zu lassen, die zu Anfang des Buches von ihrer Schwester gefragt wird, wo das Weiß hinkommt, wenn der Schnee schmilzt?, eine Frage, die im ganzen Buch nicht beantwortet wird, -ist ein besonderes, hat es doch einmal Bakunin beherbergit, es ist zu einem Aufstand gekommen. Wahrscheinlich der Anfang der Anarchie oder der Beginn der tapferen Frauen sich zu wehren und für sich die Freiheit zu suchen.

Zuerst lernen sie aber alle das Uhrmacherhandwerk., Daniel de Rout zählt hier die verschiedenen Berufe auf, die es da mal gegeben hat. Die Frauen sind in den unteren Ränge geblieben und so brechen sie auf. Kaufen sich jede ein 2Zwiebelchen, das ist eine Schweizer Präzensionsuhr und fahren in das gelobte Land.

Zwei von ihnen sind schon vorausgegangen und umgekommen und das Buch ist auch nach den “zehn kleinen Negerlein, jawohl, das steht so drinnen, obwohl es auch “Negerinnen” oder “Zwiebelchen” beziehungsweise “Anarchistinnen” heißen könnte, aufgebaut und von jener Valentine 1919, als alles schon zu Ende war, in Monteviedo in zehn Kapitel aufgeschrieben.

Die anderen acht buchen eine Schiffspassagage nach Patagonien, über eine andere Auswanderung habe ich ja erst vor kurzen gelesen und auch über andere Schiffskatastrophen. Eine der Frauen, ich habe vergessen, sie haben Kinder, aber keine Männer mit, stirbt an Bord während einer Geburt, die anderen kommen an und sollen vom Gouverneur eigentlich als Soldatenbräute vergeben werden. Da weigern sie sich, verlangen für sich selber Land und bauen sowohl eine Uhrwerkstatt, als auch eine Bäckerei auf.

Trotzdem übersiedeln sechs von ihnen dann auf eine Robinson ähnliche Insel, um dort die Anachie zu leben, was auch irgendwie nicht möglich ist. Seltsame Begegnungen mit seltsamen Typen werden geschildert, ein Freitag schließt sich ihnen anl.

Lison wird erdrosselt, ihr “Zwiebelchen” verschwindet, wie die der beiden Lesberinnen und taucht dann wieder auf, beziehungsweise muß es mit Hilfe von Dynamitstangen zurückerobert werden.

Dazwischen kommen immer wieder Briefe von einem Benjamin, der ihnen von der Revolution am Festland erzählt. Weil die Zustände auf der paradisischen Insel aber schließlich doch unerträglich sind, verlassen die restlichen Frauen sie wieder und übersiedeln nach Argentinien. Hier werden sie verhaftet und verhört. Eine von ihnen stirbt an Cholera, die tapfere Mathilde bei einer Bäckerdemonstration und Valentine läßt sich nach Monteviedo bringen, um 1919 alles aufzuschreiben.

Ein kleines feines und auch sehr poetisches Buch aus der Anarchistenszene des neunzehnten Jahrhunderts, nach all dem politisch aktuellen über Patrioten und Flüchtlingsschicksale, der Neuzeit, das ich jetzt gelesen habe.

Interessant und eindrucksvoll, aber die Gegenwart ist wahrscheinlich packender und erfordert mehr Aufmersamkeit, obwohl es sicher gut ist, sich immer wieder an die Vergangenheit zu erinnern und sich literarisch mi ihr zu beschäftigen.