Pommfritz aus der Hölle

Nachdem ich mit der heurigen deutschen und der österreichischen Buchpreisliste fertig bin, geht es jetzt in die Schweiz, die ich seit einigen Jahren auch lese und das geht schneller, sind ja immer nur fünf Bücher die zur Auswahl und da habe ich das Buch, das dann den Preis gewonnen hat, nämlich Kim de L`Horizons “Blutbuch”auch schon gelesen und von den vier anderen waren mir drei Autoren unbekannt.

Das heißt das stimmt nicht ganz, habe ich einige davon doch auf dem “Blauen Sofa”, das es in Frankfurt gab kennengelernt und auf der “Buch-Wien” haben zwei Autoren auch gelesen und so habe ich die 1957 in Aschaffenburg geborene, in Berlin und in Lausanne lebende Lyrikerin Lioba Happel schon zweimal aus ihrem Buch lesen und erzählen gehört und das ist in dem kleinen feinen “pudelundpischer-Verlag” erschienen. Eine kleines rosafarbenes Büchlein Jan Koneffke hat das Nachwort bzw. den Klappentext geschrieben und das Buch herausgegeben, das, wie auch sein Umschlag und der Titel sehr ungewöhnlich ist.

Liona Happel war, glaube ich, auch Sozialarbeiterin, hat sich also mit Randgruppen beschäftigt und ihnen, wie das heißt eine Stimme gegeben. Da bin ich vielleicht ein wenig skeptisch, ob einer, der die Fingerkuppe seiner Mutter gegessen hat, sich wirklich mit Arthur Rimbaud beschäftigt und ob er wirklich so denkt, wie es seine Autorin will, war ich mir schon bei “Blauschmuck” unsicher.

Bei Lioba Happel hat sich das dann gegeben, denn sie hat ihren Pomelius Fridericus nicht nur idealisiert, sondern man kann sich in sein Leben auch gut einleben. Wahrscheinlich gab es da reale Vorbilder und die Sprache ist wirklich sehr schön. Also ein interessantes ungewöhnliches Buch, das vielleicht auch auf meine best of-Liste gehört, obwohl ich die schon geschrieben habe.

Pomelius Fridericus, Pommfritz genannt, schreibt also aus dem Gefängnis oder aus der Hölle, wie der Untertitel lautet, dreiundzwanzig Briefe an seinen “Vatter” den er nie oder nur einmal gesehen hat und halt, lieber Uli, bevor du jetzt aufschreist und “Korrigiere diesen Fehler!”, rufst, es gibt nicht nur die “Großmeer” in der Schweiz sondern auch den “Vatter” und jener Pommfritz wird gleich gespoilert, hat mit Dreißig seine Mutter getötet und sie dann nicht ganz, sondern nur ihre Fingerkuppe gegessen und da erzählt er nun uns oder seinem Vatter, in den dreiundzwanzig Briefen, wo es immer wieder Rückblenden und auch Vorsprünge gibt.

Die Mutter war sehr dick und hat sich nur von Grillhähnchen und Pommes ernährt, deshalb der Name des Söhnchen, die wurden vom Kioskmann gebracht. Das Söhnchen war am Stuhl oder Tischbein festgebunden und hat sich mit seiner Mutter nur durch das Wort “Beschissen” unterhalten, hat es doch auf diese Art und Weise drei Jahre nicht sprechen und gehen können.

Die Angelina vom Sozialamt kam zwar regemäßig zur Kontrolle, wurde aber ausgetrickst. Später flog der Schwindel auf und der Junge kam zuerst ins Heim, dann in die “Spezialschule” später in den Jugendknast und da hat er dann auch irgenwann die idee geboren, daß er seine Mutter umbringen soll.

Das war offenbar sein Erwachsenwerdenritual. Den Rimbaud, den er Arthur nennt, hat er von einer Lehrerin geschenkt bekommen, aber die wurde von den Jungs und vielleicht auch Mädchen in der Spezialschule sehr gequält. Es gab auch die üblichen Drogenexesse und Jugenstraftaten und mit Achtzehn ist er dann zur “Prügellilly” gekommen. Eine sadomasochistische Liebe hat begonnen und als er glaubte seine Lilly erschossen zu haben, es waren nur Schreckschußpatronen in der Pistole, ist er zur Mutter gegangen und hat sie umgebracht. Jetzt sitzt er im Gefängnis und bringt die Insaßen, die Wärter und auch den Priester, der die Beichte hören muß, zum Kotzen, denn es ist ja harte Kost, die der Pommes da aufzutischen hat und harte Kost, die uns Lioba Happel da serviert.

Ein ungewöhnliches Buch mit einer schönen Sprache, einer ungewöhnlichen Thematik und eine Entdeckung. Also war es doch sehr gut mich auch mit der Schweizer Literatur und ihren Neuerscheinungen zu beschäftigen. Zwei Bücher warten da noch auf mich, denn eines habe ich nicht bekommen.