Heute ist mitten in der Nacht

Die Pandemie, hatte auf das Schreiben der Autoren offenbar eine größere Auswirkung als ich bisher glaubte, wo ich ja nach dem ersten Buch der Marlene Streeruwitz immer hörte, “Covid interessiert uns nicht! Und nicht schon wieder ein Covidroman!”

Aber jetzt tauchen plötzlich Bücher auf, die sich mit dem Sterben beschäftigen, wo eine Bestatterin mit ihren Toten spricht oder die Reinigungsfirmen dann die Wohnungen aufräumen, wo die Leute einsam gestorben sind.

“Mit Sprache unterwegs” hat sich mit der Armut im Alter beschäftigt ,und dann diskutiert ob die Insprachnahme der mobilen Pflegedienste oder die Pflegeheime besser wären?

Die Pflegeheime nicht, denke ich, habe das schon früher gedacht, nach Covid, wo man seine Angehörigen aber noch immer nicht ohne Test oder Maske besuchen darf und die Leute dort monatelang keine Besuche empfangen durften und einsam gestorben sind und Covidist schon sowieso schwer zu erklären. Ein Dementer wird sich vielleicht vor den pflegenden Zoombies, die da auf einmal auftauchten gefürchtet haben.

So weit so gut, und eigentlich eine Themenverfehlung, denn es geht ja um das neue Buch, der 1980 geborenen Kerstin Preiwuß, die in Leipzig lebt, beim “Bachmann-Preis” gelesen hat auf der Buchpreisliste stand und jetzt auch noch Professorin am Leipziger Literaturinstitut ist, das den klingenden Namen “Heute ist mitten in der Nacht” hat, wo man natürlich einen Roman vermuten würde.

Aber nichts davon, es sind eher lyrische persönliche kleine Stücke, die sich mit der Angst und dem Tod beschäftigen, in Zeiten, wie diesen, wo wir von der Pandemie in den Ukrainekrieg und die Weltkriegangst stolperten, absolut verstänlich und vielleicht ganz schön, während einer Panikattacke oder nach dem Verlust eines Lieben, dieses Buch zu lesen.

Die kleinen Stückchen beginnen mit einem Autorstoperlebnis der Autorin in Frankfurt, wo sie wahrscheinlich einer Vergewaltigung entkam und dreht sich dann, um die Angst. Wo sie anfängt und wo sie kommt, beim Autofahren wahrscheinlich. Aber auch nach einer Fehlgeburt, die Kerstin Preiwuß einmal erlebte. Dann kommt sie zu dem Unfalltod ihres Vaters, der auf dem Fahrrad von einem Ajuto meterweit geschleudert wurde und sich dann die Angehörigen mit der Frage beschäftigen mußten, ob sie den noch brauchbaren Körper, als Ersatzteillager zu Verfügung stellen, was in Deutschland anders als in Österreich geregelt ist.

Dann geht es schon zu Covid und der Frage, ob man jetzt seine Kinder “Corona” oder “Covid “nennen soll und “Bleiben Sie gesund!”, ist der neue Gruß der Zeit, wie Kerstin Preiwuß erwähnt.

Gedichte gibt es in dem persönlichen Essay immer wieder auch:

“Jetzt ziehen wir ins Schneckenhaus./Die Zeit weiß schon Bescheid.”

Und fiktive Briefe, einen an die Kinder und eines an Emily Dickinson, die sich offenbar auch von der Welt zurückgezogen hat und die nur mehr aus ihrem Fenster hinaus betrachtete. Rose Ausländer hat das, glaube ich, auch gemacht, aber die war ja kriegstraumatisiert und da darf man keine Vergleiche ziehen.

Es gibt das Gedicht von Christine Lavant “Wieder brach er bei den Nachbarn ein…”, das analysiert wird und die Winter, Sommer, etcetera, der Zurückgezogenheit. War die Pandemie offenbar etwas, das Kerstin Preiwuß sehr ernst nahm und in Angst versetzte.

Außerdem was macht man als schreibende Frau, Kerstin Preiwuß nennt sich Schriftsteller, wenn man nebenbei noch Kinder im Homeoffice zu versorgen hat, weil die Schulen und die Kitas ja geschlossen sind?

“Es gibt mich kaum noch./Ich nehme mir nichts vor./Ich arbeitete ab./ Ich denke nicht mehr nach…”

Dann werden die Phasen des Schocks erklärt. Das habe ich auch den Pflegehelfern unterrichtet, als ich in Lainz noch die Fortbildungen machte und verschiedene Worte und Begriffe werden analysiert.

“Was deutet sich als beschaffbar an, Masken, Impfungen, Tests, sofort stellt sich die Bereitschaft ein,vorzusorgen.” Die “Hoffnung schwindet” und das “Früher wird zu einem Sehnsuchtsort.”

“Früher als wir alle noch schwelgten in Erinnerungen, die man nun als verloren betrachtet, darum mit Sehnsucht verbindet.”

Dann geht es zu den “Petitionen der Kunst”. Da gab es bei uns am Anfang einige Demonstrationen, bis diese aufhörten, wahrscheinlich weil die Förderungen kamen und die Demos dann den rechten zugeordnet wurden.

“Wir gaben alles aus der Hand, wir ließen unser gesellschaftliches Dasein ruhen, wir gaben die Kultur auf und ermahnten uns sogar dazu. Wir handelten vorsorglich.” – “Aus Gewöhnung wird also Gewohnheit.” und dann gibt es noch die “Katastrophen”, die man mit den “W-Fragen”, die man im Erste Hilfekurs oder Journalistenseminar lernt, analyasieren kann.

Dann kommt sie zu den “Kindern, die weinen, weil sie als Einzige in der Klasse positiv getestet sind.”, bis es “Plötzlich alle haben, hat man es auch und der Abstand verliert sich.” und “Nach der Krankheit kommt der Krieg”, schreibt Kerstin Preiwuß immer wieder, was sie wieder zur Angst zurückkommen läßt und dann listenartig die Situationen aufzählt, die sie in der Schule erlebt hat.

Der Ukrainie-Krieg wird erwähnt und sogar die Gedichte der Kaiserin Sissi, Zusammenhänge und, die ein bißchen schwer zu verstehen sind, wenn man nicht aufmerksam genug liest, um die Gedankensprünge der Autorin zu verstehen, die mit diesen Buch sich in einer sehr schönen Sprache, mit der Sprache, wohl auch selber Klarheit gewinnen will.

“Kerstin Preiwuß, vielfach ausgezeichnete Autorin von Romanen, Gedichten und Essays legt mit “Heute ist mitten in der Nacht” einen Text vor, der Angst und Schreiben auf eindrucksvolle Weise zusammenführt und ein Zeitempfinden in den Blick nimmt, das unsere Gegenwart bestimmt.”, steht am Buchrücken.

Ein interessantes Buch in dem man über die Ängste und die Gefühle der Autorin erfahren kann.

Nach Onkalo

Jetzt kommt Buch zehn der LL und eines das Malte Bremer vom “Literaturcafe” gut gefallen hat, er hätte es auf die Shortlist gesetzt. Dorthin ist es nicht gekommen, es ist aber wirklich ein beeindruckendes Buch, denn es erzählt einmal nicht von der Milifekrise des intellektuellen Mannes, sondern von den kleinen Leuten, die irgendwo dort wohnen, wo man eigentlich wegzeht, wenn man es kann, dort wo die Füchse gute Nacht sagen und die Mütter vielleicht immer noch ihre vierzigjährigen Söhne mit dem Besenstil an der Decke wecken und ihnen das Frühstück richten.

Das hat einer You-Tuberin, die sich durch sie Longlistproben las, nicht gefallen und hat von Sklaverei gesprochen. ich denke es ist aber nur die ganz gewöhnliche Beziehung zwischen einer Mutter und dem noch bei ihr wohnenen erwachsenen Sohn, der keine Familie hat.

Da kenne ich einige davon und es ist, glaube ich, auch nicht die Geschichte einer Depression, sonder ein  depressives oder depressiv machen könnendes Buch, das die 1981 in Mecklenburg geborene Kerstin Peiwuß, die am  “Literaturinstitut in leipzig” studierte und beim “Bachmann-Preis” las, da geschrieben hat.

Ich habe es übriges für alle die es wissen wollen, doch in Buchform gelesen, obwohl es das einzige Buch  war, was ich bei “Netgalley” öffnen konnte und es beginnt sehr eindrucksvoll.

“Mutter ist weg. Stimmt nicht, sie liegt noch im Bett, aber Matuschek kann nichts anders mehr denken.”

Das ist, denke ich, wirklich sehr eindrucksvoll beschrieben, das was wir alle vielleicht einmal erleben werden oder schon erlebt haben und das uns dann ratlos macht.

Bei Matuschek, dem wortkargen Wetterbeobachter am Flughafen, gibt es soetwas noch, ist das so und er rennt erst einmal durchs Haus, dann zu seinem Nachbar Igor, der mitkommt, Kaffee macht, die Ärztin ruft und den “Towarischtsch” dann in sein Haus nimmt um ihm Wodka zu kredenzen.

Er verschafft ihm auch eine Frau, nämlich die Cousine seiner Frau, Irinia und es ist auch nicht so, daß Matuschek noch keine Erfahrungen hat. Die Mutter hat sehr oft wegen der hohen Telefonrechung an Sexhotlines geschimpft, nur ins Haus durfte ihr offenbar keine kommen und mit Irina, der ebenfalls wortklargen Russin klappt es auch nicht so ganz, denn die hat schon einen Sohn und verheimlicht ihm das.

Matuschek hat noch ein Hobby, nämlich das Taubenzüchten und außer Igor noch den alten Witt mit seinen Weltuntergangsphantasien als Freund.

Er verliert dann seine Arbeit und Igor mit dem er öfter angeln war, ertrinkt. Der hinterläßt ihm sein Boot, Galina zieht aus. Ein anderer Nachbar, ein rauer Kerl namens Lewandowski, der alle übern Tisch ziehen will, zieht ein und es macht vorerst den Eindruck, als würde es mit Matuschek bergab gehen. Er macht seine Post nicht auf, Staub liegt überall, auch die Tauben verkommen und er liegt schließlich nur besoffen in dem Boot, so daß ihn der Nachbar retten muß, der das mit rauhen Ton auch tut, dafür aber das Boot haben will.

Es kommt dann zu einer Kehrtwende, Matuschek nimmt sich zusammen, geht einkaufen, beobachtet dort, auch eine berührende Szene, eine alte Frau, die stundenlang vor einer Ampel steht und wartet und die er dann ins Pflegeheim zurückbringt.

Der alte Witt hat sich in seinen strahlensicheren Kellner eingebunkert und dort gestorben, so daß Matuschek seinem rauen Nachbarn, der von Inport und Export lebt, sprich, alles verkauft, anbietet auch sein Haus zu verkaufen und mit seinen und mit Witts Tauben in einen Wohnwagen zieht und dort offenbar in einem aufgelassenen Kernkraftwerk neue Arbeit und Freunde findet.

Für eine gewöhnliche Depression passiert hier eindeutig zu viel, das ist schon der Einfluß des Literaturinstituts zu merken und Mariki Fallwickl eine der heurigen offizielen Buchpreisblogger schreibt bei ihrem Buchpreischeck auch, das es kein Buch für jeden wäre.

Ja und nein, würde ich da antworten, eigentlich schon, weil wir ja alle einmal sterben und unser Leben meistern müßen, aber es kann in seiner Tristesse einen oder eine auch ganz schön hinunterziehen. Es ist aber sicher ein sehr literarisches Buch und eines das in schöner Sprache vom Leben der kleinen Leute, die es nicht so einfach haben in diesem Leben und dieser Welt und das mir deshalb ebenfalls sehr gut gefallen hat.