Meine Mutter, das Alter und ich

Jetzt kommt ein “Kremayr & Scheriau – Buch”, aber keines aus der literarischen Schiene, obwohl ich bei einer der ersten “Corona-Lesungen”, die Günter Kaindlsdorfer in der Hauptbücher darüber abhielt, daraufgekommen.

“Wahre Geschichten”, die, die 1961 in Graz geborene Journalistin Katja Jungwirth mit ihrer Mutter, die sie betreut, erlebte und in kurzen knappen Szenen schön von Melanie Haas illustriert, die auch, nomen est omen, meisten hasenähnliche Figuren mit lange Ohren zeichnete, aufschrieb und das Alter ist ja ein Thema, das mich, glaube ich, schon seit meiner Jugend beschäftigt.

Bin ich ja bei relativ alten Eltern aufgewachsen, hatte eine um elf Jahre ältere Schwester, die 1978 einen Autounfall hatte, habe nach dem plötzlichen Tod meiner Mutter 1991bis 1995 meinen diabetischen Vater betreut, habe in dieser Zeit auch mit Pflegeheilferinnen im Geriatriezentrum Wienerwald gearbeitet, Alfred Vater ist 2012 gestorben, seine Mutter wird von zwei vierundzwanzig Stunden Pflegerinnen betreut, über die Themen Älter werden und Demenzen habe ich auch schon sehr oft geschrieben und natürlich auch darüber gelesen, so hat Bärbl Danneberg, sozusagen die Organisatorin des “Arbeitskreis schreibender Frauen” ein Buch über die Betreuung ihrer dementen Mutter geschrieben, Elfriede Haslehner hat einen Text über den Tod ihrer Mutter, zu der sie, glaube ich, ein eher schweiriges Verhältnis hatte, geschrieben und und… und nun ein eher heiteres Buch über die Beziehung zu einer eher schwierigen Mutter, wie es, glaube ich, Günther Kaindlsdorfer bei der Lesung und dem Gespräch mit der Autorin nannte, mit einem Augenzwingern erzählt, füge ich hinzu, nachdem ich mich durch die kurzen Episoden gelesen habe.

Nachdem Katja Jungwirth fast sechzig ist und die Mutter Pharmazeutin war und die Tochter gegen Ende ihres Studiums gebar, wird sie so an die Fünfundachtzig sein und leidet an einer nicht näher genannten Krankheit. Wahrscheinlich leidet sie amÄlterwerden und der Einsamkeit. An den Wehwechen, die man wahrscheinlich mit über Achtzig hat, sie geht mit einem Rollator, das heißt sie rennt mit diesen durch die Straßen, weil sie sich ihrer Schwäche schämt und vermeidet damit Kaffeehäuser und Kinos zu besuchen. Sie sagt auch alle Besuche von Freunden ab, bricht Therapien ab und fordert die Tochter, die sie betreut zu Fürsorge und zu Besuchen auf. Sie ist auch depressiv setzt aber ihre Psychomarmaka ab und jammert dann darüber.

So begleiten wir Katja Jungwirth durch den Rollenwechsel und das Erleben des Älter- und  Schwächerwerden, einer wahrscheinlich sehr anspruchsvollen Frau, die wohl ihre Schwierigkeiten mit ihren kleineren oder größeren Wehwechenhat hat und die, so wie Katja Jungwirth sie beschreibt, auch noch sehr vital, elegant und gepflegt ist.

Die Spannungen, wo die Mutter zum Kind wird und ungeduldiger, als die Enkerln ist, werden in dem Kapitel über “Weihnachten” besonders deutlich und so geht es hin und her.

Die Mutter kann nicht, will aber,  die Tochter leidet darunter und kann sich nicht abgrenzen. Die perfekte Mutter-Tochter Symbiose könnte man so sagen und die Mutter, die wahrscheinlich im Feminismus der Siebzigerjahre  versuchte ihren Sohn zu keinen Macho zu erziehen, erzählt jetzt der Tochter, daß sie ihm nicht zumuten kann, sich um sie zu kümmern, weil er ja eine Sitzung hat, während sie vier Kinder, einen alten Hund und noch einige Enkel zu betreuen hat, nein sagen kann sie aber offenbar auch nicht. So versucht sie einen Manipulierungsplan, beziehungsweise herauszufinden, ob das, wenn die Mutter jetzt anruft, ein Notfall ist oder ihr nur einfach langweilig war, aber Langeweile oder Einsamkeit ist ja irgendwie auch ein Notfall, etcetera.

Ein interessantes Buch, dem man, wenn man es so ohne wirklich Betroffenbheit, wie es beispielsweise bei mir der Fall ist, liest, Oberflächlichkeit vorwerfen könnte, denn diese Mutter hat ja vielleicht nicht wirklich was, außer daß sie wahrscheinlich über achtzig ist, im Gesicht noch sehr gepflegt ausschaut, unter dem körperlichen Verfall leidet und nicht mehr so gut gehen kann.

Liest man es aber als vielleicht selber pflegebedürftige Mutter oder betreuende Angehörige, wird man es vielleicht anders interpretieren.

“Es ist wie in frühester Kindheit, eine Symbiose zwischen Mutter und Kind. Geht es der Mutter gut, geht es dem Kind gut.

Berührend und mit viel Humor erzählt Katja Jungwirth in ihren tagebuchartigen Texten von der Beziehung zu ihrer pflegebedürftigen Mutter, von großer Aufopferung, von kleinen, liebevollen Gesten und von all den Situationen, die sie immer wieder an ihre eigenen Grenzen bringen,”, steht am Buchrücken.