Ich habe große Städte gesehen

Nachdem ich nun seit Ende August Buchpreis gelesen habe zwischen Weihnachten und Silvester eingepresst, ein paar Gedichte, nichts Besonderes oder doch vielleicht, denn “Naturgedichte wird man hier, wie Björn Kuhligk in seinem Vorwort der “Diogenes-Gedichtgesammtausgabe” des 1944 geborenen und 1987 auf der Autobahn überfahrenen Jörg Fausers schrieb, “werden Sie hier nicht finden!”, hat sich doch sein Leben zwischen Marokko, London , Paris, New York und München abgespielt und hat seine autobiografische Gedichte oft auch zu “konzentrierten Kurzgeschichten” gemacht, die auf der Straße, bei den Nutten von Alkohol und Drugs umgehen spielen.

Jörg Fauser, der von Marcel Reich-Ranicki als er einmal in Klagenfurt gelesen hat, total fertiggemacht wurde “Dieser Autor hat hier nichts verloren!”, hat er großspurig gerufen und es wohl geglaubt und Jörg Fauser hat sich, glaube ich, auch eher als Journalist verstanden und sozialkritische Krimis geschrieben, von denen ich vor kurzem einen gelesen habe, scheint “Diogoenes” ja sein Gesamtwerk herauszubringen und ich habe einige seiner Bücher auch noch in Harland und in Wien auf meinen Bücherstapel liegen.

Keine sehr ästetisch angehauchte Lyrik sondern eine die von Charles Bukowski, Jack Kerouac und William S. Burroughs inspiriert sein könnte, sondern eine die das Leben von unten beschreibt und eine, die also mir, die ich zwar nicht so sehr von den Beat Poeten und den Drugs inspiriert bin, sehr sympathisch sein müßte.

Sie ist es auch, hatJörg Fauser doch, wie der ebenfalls dichtende  Björn Kuhligk  in seinem Vorwort schreibt, den Satz geprägt, daß “Dichter, die kein Publikum haben, pathetische und sinnlose Figuren sind”, was auf mich zutreffen könnte und ich von mir genausowenig, wie von Jörg Fauser glaube, der, glaube ich, mit den Drugs und dem Alkohol sein Problem hatte und deshalb vielleicht auch auf der Autobahn kurz nach seinem Geburtstag überfahren wurde.

Gehen wir sie also durch die gesammelten und neuherausgegebenen Gesichte von Jörg Fausers, die Roadlyrics, die auch in “London” beginnen

“Jeden Tag eine neue Bombe. Und jeden Tag wählen die Lämmer den Metzger zum König”

In den Neunzehnsechzigerjahren geschrieben und trotzdem hochaktuell könnte man meinen, hat es Björn Kuhligk in seinem Vorwort auch so geschrieben.

Es gibt die “Abende eines Sommers”

“Trink die Milch der Nacht

der Föhn bläst Gott voraus

Asche in die Täler”,

die ein bißchen an die “Todesfuge” denken lassen könngten.

Und in “Das Fest ist aus”, schreibt Fauser “In der Straße zwischen Nacht und Morgen verbrenne ich meine Gedichte”, ja dieses Motiv gibt es auch, ebenso wie “Fauser schreibt wieder einmal unverständliches Zeug, nicht tief, nicht kritisch, nicht deutsch genug, trister Typ, der kaum was bringt außer abgekauten Erinnerungsfotos.”

Und in “Trotzki, Goethe und das Glück”, wie wohl auch einer seiner zu Lebzeiten herausgegeben Gedichtbände heißt, die der Vorworwortschreiber, wie er schreibt auch zu einem stolzen Preis in der Erstausgabe bei einem Antiquariar kaufte, schreibt Fauser von einer Louise die Revolution machen wollte, während er sich “suchen uns irgendeinen stillen Winkel wo ich in ruhe mein Bier trinken und zwischendurch mal`n Gedicht schreiben kann” sich wünscht.

“Und Trotzki?, schrie Louise, und die Genossen im Knast? Dein bourgeoises Glück, pah! Bier und Gedichte, während die Revolutin organisiert wird!”

Sie hat ihn dann verlassen und später in Paris einen Goetheforscher geheiratet, wie ihm ein Freund erzählt. Ja so ist das Leben und die Revolution.

In “Liebesbriefe” wird er von einer Frau gefragt “Wann hast du deinen letzten Liebesbrief bekommen”

“Der Bastard, denk ich, machts sichs verdamm leicht. Ich seh mich im Spiegel: unrasiert, verkatert, seit  4 Jahren kein Liebesbrief, seit 4 Wochen kein Gedicht.”

Und in “Dichter in New York” geht es mit einem Jack zu einer “Bukowski-Lesung.

“Jack schief irgendwann ein. Bukowski las exakt eine Stunde, ohne sich zu betrinken und ausfällig zu werden und ohne auf sie reinhzufallen, dann tat er den letzten Schluck, klappte das Buch zu, bummte “Thank you, good night”, gab Autogramme und verschwand.”

Frankfurt am Main, wo Hörg Fauser glaube ich auch am Flughafen gearbeitet hat, sind zwei Gedichte gewidmet, bei einem reimt es sich sogar ein bißchen:

“Die Kälte ist schwül in Frankfurt am Main Wer sich nicht umbringt Der trägt Gefühl.”

Es gibt ein Gedicht von einer “Frau die kein Bier trinkt” und das “Karfreitag” genannte, endet mit den Zeilen “Ein Bier. Christus am Kreuz hätte mehr gebraucht.”

Sehr beeindruckend ist das Gedicht, wo die Frauen dem türkischen Hausmeister klagen, daß sie kein “Warmes Wasser” hätten.

“Der Hausmeister ist Türke. Er hat die Ruhe weg. Er kenn sich mit dem modernen Ldeben aus und außerdem wozu braucht einer der einen Kühlschrank hat Raki im Glas und einen heißen Ofen im Bett auch noch warmes Wasser?”

“Berlin, Paris, New York” heißt das Gedicht, das dem Buch den Namen gegeben hat:

“Ich habe große Städte gesehen und habe die großen Städte immer geliebt, ihre Frauen, ihre Bars, ihre Dämmerungen vor dem Gebrüll der Maschinen und dem Sturm auf die Bastille.”

In “Rote Fahnen” passiert ein alter Mann mit Schirmmütze in einem Rollstuhl den Checkpoint Charlie und Jörg Fauser dichtet “Alle Macht der Phantasie gewiss! Schönes Wort. Dachte man dabei auch an die Phantasie von Kerkermeistern? – Aber ja! Ich winke den Seelen der Anarchisten und trolle mich zurück in meine Arena.”

Und in “Geschichten” fragt er sich, was ich mich auch schon fragte:

“Worüber noch schreiben? Alle Geschichten sind längst erzählt, die Novembergeschichten und die Frühlingsgeschichten, und alle dazwischen.

Worüber noch schreiben? Wir haben alle Geschichten geschrieben, der Regen, die Erde, die Frauen, die Dichter. Aber die Geschichten sind wie Gott: sie machen weiter.”

Und im “Cafe Grabbe”, erzählt er von Christian Dietrich Grabbe,  1801-1836, der die “Hermannnschlacht” geschrieben hat, während Balzak, wie er behauptet, einen “Neger” hatte,  Charles Lassailly, ein verwahrloster Poet, der für ihn in der Nacht die Stücke geschrieben haben soll, bis der ihn mit den “trostlosen Worten: Die ganze Nacht habe ich mich abgemüht, aber mir ist nichts eingefallen, was Wert gewesen wäre, niedergeschrieben zu werden”, verlassen hat und sich wieder in die “Kaschemmen, in die Dachkammern, in die Namenslosigkeit” zurückbegeben hat.

“Byrons Tod” wird beschrieben und die “Margariten”, die vielleicht nur “Pusteblumen” waren und in “Strangers In the Night”, erzählt eine beamtete Lehrerin, wie sie, während sie Sinatra hörte, bei einem Penner hängen geblieben ist, der in den Kartoffelsalat pinkelt, endlos Krimis liest und sie jede Woche einen Hunderter an Schnaps kostete.

“Thank you . J.F., steht unter dem Gedicht “Besuch bei Blettenberg, Bangkok 1986”, auf Seite dreihunderteinundvierzig und wir können nur “Thank you, Jörg Fauser, “Diogenes” und vielleicht auch Björn Kuhligk, für die Zusammenstellung, die, wie wir erfahren, so weit, wie es möglich war, chronolgisch erfolgte und ich füge hinzu, daß es schön war sich zwischen Weihnachten und Neujahr durch Jörg Fausers Lyrik zu lesen und wieder ein bißchen in die Neunzehnsechziger-, neunzehnsiebziger und neunzehnachtzigerjahre einzutauchen und jetzt kommt ein bißchen Schreibtechnisches und ein paar Cartoons aus dem “Holzbaum-Verlag”, bevor es mit Dietmar Füssels höchstwahrscheinlich schräger Lyrik weitergehen wird.

Das Schlangenmaul

Jetzt kommt ein Krimi des 1944 geborenen und 1987 auf einer Autobahn verunglückten Jörg Fauser.

Jörg Fauser habe ich eigentlich für einen eher experimentellen sprachschöpferischen Autor, so ungefähr a la Marcel Beyer gehalten, hat ja Michael Köhlmeier, als er die Bachmannrede gehalten hat, sich auf ihn und den Veriß, den er als er in Klagenfurt gelesen hat, durch MRR erhalten hat, bezogen.

Gelesen hatte ich bisher noch nicht von ihm, aber zwei Bücher auf meiner Liste, die ich mir bei Abverkäufen gekauft habe, bei Thalia in St. Pölten und Würzburg wahrscheinlich und jetzt hat “Diogenes”, das  “Schlangenmaul” wieder aufgelegt und ich bin daraufgekommen, das ist ja ein Krimiautor. Friedrich Ani hat das das Nachwort geschrieben und wahrscheinlich ist er nur ein halber oder ein satirischer, denn es gibt in dem Buch, das in Berlin in den Neunzehnachtzigerjahren spielt durchaus ungewöhnliche Elemente, Einfälle und Wendungen, obwohl die Handlung oberflächlich ganz banal ist und man sie wahrscheinlich hundertmal bei Agatha Christie oder sonst wo gelesen hat.

Das heißt, so ganz banal beginnt es doch nicht. Denn es taucht im ersten Kapitel ein Steuerfahnder bei Heinz Harder auf und mahnt ihn an seine Schuld und der ist ein abgehalfteter Journalist und dann wieder doch nicht, hat er doch eine Anzeige aufgegeben, in der er sich als “Bergungsspezialist für außergewöhnliche Fälle, was offenbar Fausers satirische Umschreibung für eine Detektivtätigkeit ist.

Als der Steuerfahnder verschwunden ist, meldet sich schon die erste Klientin, eine Nora Schäfer-Scheunemann und die sucht ihre verschwundene Tochter Miriam.

Das Besondere an dem Buch ist auch, daß  Fauser in die einzelnen Kapitel immer mit einem Handlungsvorsprung einsteigt. Das heißt, er ist in dem einen bei der Klientin, im nächsten steht er dann im Boxring und so weiter und so fort.

Eine weitere Besonderheit ist vielleicht auch, daß hier außer Whisky auch viel Milch und Kamillentee getrunken wird und das würde ich auch als das satirisches Element, das sich Lustigmachen über das Genre bezeichnen, denn eigentlich ist dieser Harder, der geschieden ist und eine Tochter hat, ein harter Bursch.

Es taucht aber auch seine Ex auf und mit ihr besucht er einen Klub, vorher hat er ein Bordell besucht und, als der Stuerfahnder bei ihm war, tauchte plötzlich eine nackte Frau aus dem Badezimmer auf, die ist eine thailändische Prostiuiterte und wird später ermordet.

Aber erst einmal sucht Harder ganz konventionell den Vater Miriams auf, das ist ein ehemaliger Baulöwe und Politiker, liegt aber jetzt in einer Entziehungsklinik gefangen.

Nora Schäfer-Scheunemann hat ihm auch ein paar Hinweise gegeben, beziehungsweise Namen genannt und Bilder gezeigt und einen Hinweis, daß sich Miriam in Berlin befinden könnte, gibt es auch.

Die Spur führt dann über das schon erwähnte Bordell zu einem Institut für physio-soziale Therapie. Da fragt man sich natürlich, was das ist?

Die Antwort ist wieder so ein Einfall wie der “Bergungsspezialist”, das Bordell heißt “Kamasutra” und der Hinweis auf eine “Farm für freie Entfaltung” gibt es auch.

Dort soll sich Miriam befinden und dort wird auch mit Schlangen hantiert und so schleust sich Harder mit seiner Ex zu einem Abend der offenen Tür dort ein. Eine Frau Doktor Frenkel-Ahisma hält einen Vortrag. Miriam, die sich jetzt Shiva nennt, tanzt in Trance mit einer Schlange und das Ganze führt, in Zeiten, wie diesen, höchst aktuell, wie  imKlappentext und am Buchrücken steht: “Hinein in das Berlin der windigen Geschäftmänner, illegalen Clubs und dubiosen Politik-und Finanzmachenschaften.”

Eine Morddrohung und ein abgebranntes Nachbarhaus, gibt es dabei auch,  Nuchali, die thailändische Prostituierte wird ermordet und einen Besuch beimPolizeirat Smetana und noch einige andere höchst dramatsche Wendungen, wie das Abhören durch ein spezielles Tonbandgerät, in Zeiten wie diesen auch höchst aktuell, gibt es auch, bis Harder Miram-Shiva wieder zu ihrer Mutter zurückbringt, aber die ist natürlich, wen wundert es, auch in die kriminellen Machenschaften verstrickt und Heinz Harder am Schluß des Buches. als spannende Wenung wieder Besuch von seinem Steuerfahnder bekommt.

Da liegt dann ein Scheck ausgestellt auf zwanzigtausend deutsche Mark am Küchentiscvh. Der Steuerfahnder will begierig danach greifen:

“Der ist leider faul”, sagte ich und zeriß den Scheck”, lautet der letzte Satz des Buches und man kann das Nachwort des Krimiautors Friedrich Ani lesen oder sich informieren, welche Bücher Jörg Fauser noch geschrieben hat.