Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

Buch dreizehn des heurigen Longlistenlesen ist wieder kein Roman, sondern der dritte Teil einer Autobiografie, es ist auch schon 2015 erschienen und ein Bestseller des 1967 in Homburg geborenen Schauspielers Joachim Meyerhoff, der ab 2005 am Burgtheater tätig ist oder war.

Dort hat er unter dem Titel “Alle Toten fliegen hoch”, ein sechsteiliges Programm gemacht, in dem er sein Leben erzählte,  womit auch seine schriftstellerische Karriere begann.

“Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“, ist Teil drei desselben, der erste “Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war”, erzählt seine Kindheit. Er ist als Sohne eines Direktors einer psychiatrischen Kinder- und Jungenklinik in Schleswig Hohlstein aufgewachsen und hat dort auch gewohnt, im zweiten Teil geht ein ein Austauschjahr nach Amerika und muß in dieser Zeit den Tod eines seiner zwei Brüder erleben.

Im Dritten zieht er nach München in die Villa seiner Großeltern, lebt dort drei Jahre und absolviert in dieser Zeit seine Schauspielausbildiung.

Wenn man in einer Serie hineinplatzt und das lesen mit dem Band drei beginnt, ist es wahrscheinlich immer etwas schwer, so fragte ich mich lange, ob sich jetzt der Titel auf den Tod des Bruders bezieht, der ja eigentlich schon geschehen ist, bis gegen Ende des Buches ein Kapitel diesen Namen trägt.

Der Übertitel bezieht sich wahrscheinlich auch auf das Darstellen des Sterbens in seinen vielfältigen Varianten.

So steht am Buchrücken auch “Meyerhoffs Geschichten vom Leben und vom Tod sind zum Lachen und zum Heulen und erzählen uns auf höchst unterhaltsame Weise von der Tragikommödie der menschlichen Existenz.”

Nun werden meine Leser wahrscheinlich wissen, daß ich es mit den Tragikkommödien nicht so habe und über den Tod und das Sterben auch nicht so gerne lache, kann mich aber erinnern, daß ich von Meyerhoffs wahrscheinlich erstem Buch in einer “Ex Libris-Sendung”, als wir von Harland nach Wien gefahren sind, etwas hörte.

Dann habe ich ihm einmal bei einer “Rund um die Burg-Veranstaltung” daraus lesen gehört, wahrscheinlich war es der erste Teil, das Zelt war sehr voll,den Leuten hat es sehr gefallen und der sehr selbstbewußte Autor hat seine Zeit auch gehörig überzogen.

Er ist mit Buch eins auch schon 2013  auf der Longlist gestanden, hat beim Bachmannpreis das Kapitel mit dem Bücherstehlen gelesen, den “Bremer Literaturpreis” hat er bekommen und wahrscheinlich noch andere Preise und wenn man wissen will, warum seine Bücher auf der Longlist stehen, dann denke ich, wahrscheinlich deshalb, weil es die Bücher für die berühmten Schwiegermütter sind, die den Autor vielleicht vom Theater kennen und, die auch gerne über die Mißgeschicke, die diesem Sohn aus guten Haus passieren lachen wollen und mit den Büchern von Gerhard Falkner, Ulrich Peltzer, Sibylle Lewitscharoff, etcetera, ihre Schwierigkeiten hätten.

Die Buchhändler haben sich über die Nominierung wahrscheinlich auch gefreut, die Literaturwissenschaftler sagen vielleicht, das ist keine Literatur oder auch nicht, denn Meyerhoff ist ja “Bremer Literaturpreisträger” und ist beim Bachmannlesen, glaube ich, sogar auf die Shortlist gekommen.

Da würde ich wieder denken, daß es der berühmte Name ist, denn sprachlich unterscheidet sich das Buch sehr wohl von den zwölf anderen, die ich im letzten Monat gelesen habe.

Es ist linear geschrieben und erzählt in Episoden, das Leben des Schauspielers, der mit zwanzig oder so, nach dem Tod des Bruders nach München gekommen ist, eigentlich als Schwimmlehrer arbeiten und in einem Schwesternwohnheim wohnen will, da gibt es dann die Phantasie des jungen Mannes, das ihm die knackigen Mädchen, des Nachts umschwärmen, es kommt aber nicht dazu, denn er wird auf die Schauspielschule aufgenommen, wo schon seine Großmutter, Inge Birkmann Lehrerin war.

Warum er sich beworben hat und Schauspieler werden wollte, ist mir nicht so klar, denn der junge Mann hat schon bei der Aufnahmsprüfung durchaus seine Zweifel, ob er dorthin will?

Er ist auch zu faul, ich glaube, das steht so in dem Buch, die verlangten drei Rollen einzustudieren, so muß’er improvisieren und die Kommission berät lange, nimmt ihn dann auf Probe auf und Meyerhoff ist sich nicht sicher, ob das jetzt auf Proteketion der Großmutter geschehen ist.

Er lebt jedenfalls bei den Großmeltern während seiner Ausbildung, die eine Villa beim Nymphenburger Schloß, eine Haushälterin, einen Gärtner, eine Putz- und eine Bügelfrau haben, die Sessel aus dem Nymphenburger Schloß, wenn die Familie Meyerhoff mit ihren Kinder kommt, aber mit Plastikschonern verhüllen und der junge Meyerhoff betrinkt sich auch täglich mit den alten Leuten, denn die beginnen das Frühstück mit Champagner, trinken zu Mittag Weißwein, dann Whiskey, zum Abendessen Roten und den Tag beschließen sie mit Cointreu, wie im ersten Kapitel steht.

Sie haben auch einige Schrullen, die Meyerhoff wohl für die Bühne so tragisch komisch lustig beschreibt und der geht dann in den Zoo, denn in der Schauspielschule besteht die erste Übung, der Eleven sich zwei Zettel zu ziehehn auf einem steht ein Dichtername, auf dem anderen ein Tier.

Meyerhoff zieht Kafka und Eule, tauscht es dann, glaube ich, mit Nilpferd und Fontane und muß die Effi Briest dann so darstellen.

Das wird auch ein Fiasko, nur der Auftritt als Transvestit, als die Studenten für in Not gekommene Künstler auf der Bühne des Schauspielhauses alte Kostüme versteigern, gelingt und Meyerhoff resumiert, daß das deshalb war, weil er da so verkleidet war, daß er sich nicht mehr zu genieren brauchte.

Er hat auch andere Schwierigkeiten, kann nicht auf Befehl weinen und nicht richtig lachen, hat auch ein zerknautschtes Gesicht.

Also wird noch einmal beraten, ob er weitermachen darf. Er darf und spielt dann sogar mit der Großmutter in einem Film. Am Ende besteht er die Schauspielprüfung, bekommt aber zuerst nur in Schleswig-Hohlstein ein Engagement und da will er nicht hin, denn von dort kommt er ja her.

So erleidet er einen Schwächeanfall und die alte Ärztin wird geholt und spitzt ein Medikament und ich fragte mich wieder, wieso er Schauspieler wurde und weshalb er, wenn er so ein Tolpatsch war, dann so berühmt wurde?

Aber ich weiß, das ist die Tragikkommik, die die Zuschauer auf der Bühne zum Lachen und die Leser zum Kauf des Buches bringt.

Die Großeltern werden älter und bekommen ihre Leiden, der Vater stirbt und während Meyerhoff, sich als Werther in Kassel, wo er  ein Engagement bekommt, jeden Abend auf der Bühne erschießen muß, erlebt er  das Sterben der Großeltern. Am Schluß wird das Haus verkauft, vorher noch der Tresor geöffnet und der Familienschmuck gefunden.

Ein Buch, das glaube, ich eine große Auflage hat, Anna Jeller hat es in der Auslange liegen, die Blogger haben nach Veröffnetlichung der Liste meistens geschrieben, daß sie es schon kennen und das sicher auch leicht zu lesen ist.

Ein Blick in das Leben der Prominenten, noch dazu so lustig aufbereitet, verlockt wohl viele. Mir hat  gefallen, ein wenig Einblick in den Schauspielunterricht zu bekommen, so fand ich diese Übung mit den Tieren durchaus spannend.

Die Information, wieso Meyerhoff Schauspieler werden wollte, wenn er doch so viele Schwiergkeiten damit hatte und warum er sich so negativ darstellt, fehlt mir noch immer und das Kapitel, wo er ein Buch, das ihn auch seine Großeltern kaufen hätten können, stehlen muß und damit durch ganz München rennt, hat mir auch nicht sehr gefallen, obwohl ich schon weiß, daß Klauen vielleicht zu den Initionsriten gehört und, daß das vielleicht jeder still und heimlich irgenwann einmal tut, möchte ich das auf diese Art und Weise aufbereitet, trotzdem nicht so gerne lesen und auch nicht darüber lachen.

Auf die Shortlist ist das Buch diesmal und auch damals nicht gekommen und jetzt habe ich auch einen Meyerhoff gelesen und kann vielleicht schon jetzt sagen, daß die Bandbreite der heurigen LL eine sehr große und für jeden Geschmack etwas zu finden ist.

Die großen Namen, die experimentellen jungen Autoren, die schöne Sprache, das Abenteuer und jetzt auch die Tragikkomik für die Schwiegermüutter und jetzt bin ich nur noch gespannt, ob die anderen drei Teile auch noch in Buchform herauskommen werden.