Adams Erbe

Weiter geht es mit der “Buchpreis-Backleseliste” und jetzt geht es zu der Longlist von 2011 und zu Astrid Rosenfelds “Adam Erbe”.

Da habe ich mich ja schon ein bißchen für den Buchpreis interessiert, das Leseprobenbüchlein angefragt und mir auch den Eugen Ruge zum Geburtstag wahrscheinlich schenken lassen.

Das Debut der 1977 in Köln geborenen Astrid Rosenfeld ist aber ziemlich an mir vorbeigegangen und ich habe ihren Namen wahrscheinlich erst eingeprägt, als ich schon 2015 Buchpreis gebloggt habe und dann an einem heißen Samstag in Harland Buzzaldrins Gewinnspiel machte und dann im Oktober das umfangreiche Buchpaket von ihr bekam, wo auch Astrid Rosenfelds 2015 ebenfalls bei “Digoenes” erschienener Roman Zwölf Mal Juli” enthalten war. Das Buch habe ich, wie das mit der Buchhandlung und dem “Begrabenen Riesen” noch nicht gelesen, die anderen sechs aber schon, denn die Alina Bronsky hatte ich, weil ja auf der Longlist schon gelesen.

Und “Adams Erbe” lag wohl auf dem “Thalia-Bücherabverkaufstapel” in der Kremsergasse, da schnappe ich ja gelegentlich zu und stelle die Bücher ins Regal, wo sie dann verkommen.

Aber im Vorjahr habe ich beschlossen, die Bücherliste aufzulesen und so ist das Buch auf meiner Buchpreisbacklist gelandet und ich muß sagen, es zählt wieder zu den Highlights, da habe ich ja heuer offenbar ein glückliches Jahr.

Habe ich ja den Salinger gelesen, den “Cox”, den Wolf Haas, “Blasmusikpopp” und noch vieles mehr.

jetzt muß ich noch an den “Pianisten” kommen, dann war es schon jetzt ein Superlesejahr und das Buch würde unmittelbar an “Adams Erbe” andocken, das wieder von einer Holocaust-Nachfolgenden, die schreckliche Geschichte erstaunlich witzig und ungewöhnlich erzählt, obwohl den ersten Teil hätte ich warhscheinlich als Lektorin weggestrichen.

Die erscheint dem unvorgenommenen Leser vielleicht zu bizzar, so daß er das Buchwomöglich weglegt, bevor er an den wirklich packenden zweiten Teil kommt, aber da die wahrscheinlich schon öfter geschrieben wurden, hat Astrid Rosenfeld es wohl auch kompliziert machen wollen und mit Adams Erben angefangen.

Der heißt Edward Cohen und lebt in Berlin mit seiner Mutter und den Großeltern in einer Dachwohnung. 2000 ist er etwa zwanzig und so wie er aufwächst, wuchsen wohl viele alternativ erzogene Kinder auf.

Astrid Rosenfeld beschreibt es sehr bizarr. Die Großmutter heißt Lara und ist sehr streng und die Mutter ist nachdem sie von einem Sören oder Gören geschwängert wurde, wieder zu ihren Eltern gezogen und der Großvater Moses fängt zu weinen an, als er Edward erblickt und beginnt ihm von einem Adam, seinem Bruder zu erzählen, der schuld am Tod seiner Mutter und Großmutter ist, auch etwas gestohlen habe, etcetera.

Die energische Großmutter verbannt ihn daraufhin aufs Dach und sucht für die Tochter Ehemänner aus, damit sie sie und den kleinen Edward endlich los wird.

Das sind bizaare Gestalten, wie ein dauerredender Gynäkologe, der die Mutter immer beharrlich “Fräulein Cohen!”, nennt und dann mit den Beiden am Sonntag in den Zoo geht, dort lernt Edward einen Elvis- Verschnitt kennen, der die Elefanten besingt, aber auch ungewöhnlich brutal sein kann.

In den verliebt sich die Mutter und zieht dann mit dem Söhnchen eine Weile durch Deutschland. Er geht in keine Schule und wird später Püppchenerzeuger und damit sehr erfolgreich, bis er wieder nach Berlin zurückkommt, wo jetzt auch die Großmutter gestorben ist und er an sein Erbe, nämlich an ein Buch von diesen Adam kommt, das er für eine Anna geschrieben hat und der erste Teil ist an ein Amy, an eine Liebe Edwards geschrieben.

Der zweite Teil ist, wie schon erwähnt, sehr packend, obwohl und das ist wohl auch eine Schwäche des Buches, vieles dem ähnelt, was wir schon gelesen haben.

Adam wächst nämlich mit seinem Bruder Moses, in genau dieser Berliner Dachwohnung auf. Er wurde 1919 geboren, da ist sein Vater Maximilian verwundet aus dem Krieg zurückgekommen und liegt schreiend in seinem Zimmer. Die Mutter heißt Greti und in dem Dachzimmer wohnt die Gromutter Edna, die eine ähnlich strenge Person, wie Edwars Großmußtter Lara ist. Adam gilt als etwas zurückgeblieben und wird, weil in der Schule sehr unruhig, von einem Privatlehrer unterrichtet. Edna läßt ihn auch Geige spielen lernen, das soll er bei einem Herrn Bussler machen, der ein Freund seines Vaters war und im Krieg neun Finger verloren hat. Deshalb kann er nicht mehr selber Geige spielen. Adam hat aber genausowenig Talent, wie sein Großneffe Edward, der sechzig Jahre später zu einer bizarren Klavierspielerin geschickt wird.

Der ehemalige Maistro schließt sich dem genialen Adolf an und wird sogar Sturmbannführer, legt aber seine Hände schützend über die Familie Cohen, da er in die strenge Edna unsterblich verliebt ist und Adam verliebt sich in eine Anna, die wird nach Polen abgeschoben, Moses, der wegen dem Adolf nicht Medizin studieren durfte, verliebt sich in die strenge Lara und plant die Ausreise der Familie nach England, Bussler verschafft aber Adam falsche <papiere verwandelt ihn in einen Anton Richter und schickt ihn, der der Gehilfe eines Rosenzüchters war, nach Krakau, um dort die Rosen des Generalgouverneurs Hans Frank zu züchten. Er sucht dazwischen auch Anna, rät aber immer zur Geduld und wird dann in den Osten geschickt, wo ihm das, was er dort sieht, so entsetzt, daß er an Nervenschwäche stirbt, wie es die nervenstärkeren Nazis nennen.

Anton Adam beginnt nun selbst zu suchen, erfährt, daß Anna im Ghetto ist, und läßt sich dort hineinbringen, damit sie hinaus kann. Er soll dort eine alte Dame aus Wien bewachen, einen kleinen jungen namens Herakles gibt es auch und es endet damit, daß Adam in den Osten deportiert wird, aber vorher noch sein Buch geschrieben hat, das Edward Jahrzehnte später in der Berliner Wohnung findet. Er findet auch Anna Neunzigjährig in einem New Yorker Altersheim und wir haben einen sehr eindrucksvollen Bericht über das Warschauer Ghetto und die Verfolgung der Juden gelesen, das fast an mir vorbeigegangen wäre, aber jetzt freue ich mich auf das Nachfolgerbuch und natürlich auch auf den “Pianisten”, der ja auch vom Warschauer Ghetto handelt und den ich schon als Film gesehen habe.

Leben mit dem Stern

Ich interessiere mich ja sehr für Holocaustromane und habe auch schon viele von ihnen gelesen, so kann ich mich erinnern, daß ich als Hauptschülerin einen der “Sternkinder” hieß in der Hand halte und jetzt hat mir “Wagenbach” sozusagen als Trost, daß die Leipziger Buchmesse nicht stattfand und ich auch nicht nach Berlin, um mir den Verlag anzusehen, fahren konntem Jiri Weils “Leben mit dem Stern” geschickt.

Im Vorjahr habe ich ja schon “Mendelssohn auf dem Dach” gelesen und dadurch den 1900 geborenen und 1959 in Prag verstorbenen Tschechen Jiri Weil kennengelernt, der 1933 vom Kommunismus begeistert nach Moskau ging, bald aber von der Partei ausgeschlossen und nach Mittelasien deportiert wurde. Nach seiner Rückkehr in die Tschechoslowakei entkam er den Nationalsozialisten in dem er seinen Selbstmord vortäuschte und das hat er vermutlich auch in dem Roman verarbeitet, in dem es wohl autobiografische Elemente geht, der  mit einer sehr starken ironischen Distanz, die zeitweise an Kafka erinnert, geschrieben wurde.

Da ist der ehemalige Bankbeamge Josef oder Josi  Roubicek der während der deutschen Besatzung in einem beschädigten Haus lebt, friert, kein Geld und keine Marken hat, um sich Fleisch zu kaufen, so verheizt er die Möbeln, ernährt sich von Blut- oder Knochensuppe und verbringt seine Zeit mit Lesen beziehungsweise sich mit seiner nicht anwesenden Geliebten Ruzena zu unterhalten, einer verheirateten Dame, deren Rat zu fliehen, er nicht gefolgt ist.

Jetzt wird er von Boten aufgesucht, die ihm ständig kafkaeske und damals wohl reale Verordnungen bringen was er alles nicht machen und haben darf. Der Kater Thomas, den er auch nicht besitzen darf, ist ihm zugelaufen. Er unterhält sich auch mit ihm und wird dann einer Arbeit am Friedhof zugeteilt, wo er mit anderen, die Worte “Juden” und “Nazis” werden nicht verwendet, sondern nur von “unsere” und “denen” geschrieben, Gemüse anbaut und zusehen muß, wie einer nach dem anderen in die Festungshaft, wie Weil Therienstadt nennt oder in den Osten deportiert wird. Das geschieht auch seiner Tante und seinem Onkel, bei denen er offenbar aufgewachsen ist, die aber sehr geizig und unfreundlich zu ihm sind.

Andere Bekannte geben ihm Geld und er lernt auch einen Arbeiter kennen, der offenbar eine Widerstandsgruppe aufgebaut hat, der er sich lange nicht anschließen will, sondern nur still neben den Treffen sitzt.

Die Namen der Deportierten werden nach dem Alphabet erstellt. Als man beim Buchstaben  “R” angekommen ist, wird sein Name nicht genannt. Ein anderer “Robitschek” steht aber auf der Liste, dem will er zum Abschied eine Zwiebel schenken, die dieser aber verweigert, weil er entschloßen ist, sich umzubringen. Der Versuch, das mit Gas zu tun, mißlingt. Er kommt in ein Spital und wird für die Deportation gerettet. Als es  soweit ist, springt er aus dem Fenster und stirbt und Josef Roubicek, der die Deportationen mit einer Zirkusvorstellung vergleicht, überlegt lange, ob er untertauchen und sich verstecken soll oder, ob er nicht das moralische Recht hat, das zu tun?

Schließlich wird ihm noch sein Kater erschoßen und er erfährt, daß das auch Ruzena und ihrem Mann so passiert ist. Das läßt ihn sozusagen politisch erwachen  und so endet das Buch,  wie es begonnen hat, mit einem gespräch mit Ruzena.

“Einer der heraussragenden Romane über das Schicksal der Juden unter den Nazis. Ich kenne keinen vergleichbaren” hat Philip Roth laut Buchrücken über den Roman gesagt, schade, daß er so unbekannt geblieben ist, füge ich hinzu.

Im Nachwort steht, daß er 1949 in Prag erschienen ist, aber von den tschechischen Kommunisten verfemt und vernichtet kritisiert wurde.

Ich finde den Tonfall mit dem es geschrieben wurde, sehr interessiant, es erinnerte mich ein bißchen an “Jakob der Lügner” von Jurek Becker und auch an den “Pianisten”, wo ich aber nur den Film geshen habe und das Buch erst lesen muß und besonders  makaber war es, das Buch in einer Zeit zu lesen, wo man die selbstverständlichsten Dinge, wie sich auf eine Parkbank setzen auch nicht darf und wenn man Pech hat mit fünfhundert Euro bestraft wird, wenn man mit seinen Kindern Fußball spielt.