Unter den Armen und Elenden Berlins

Nun kommt eine Neuauflage, eines Buches, das im Herbst 1887 in Berlin herausgegeben wurde. Peter Graf von “Walde + Graf”, hat es herausgegeben, der Verlag oder eine Agentur hat es mir angeboten und ich die ich ja sehr an den soziologischen Aspekten interessiert bin und auch schon die Sozialreportagen von Max Winter und Egon Erwin Kisch gelesen habe, habe begierig danach gegriffen,  um so mehr da in den kritischen oder patriotischen Blogs, wie sie sich selber nennen, ja viel von Berlin der ZweitausendzehnerJahre zu lesen ist, das nach Ansicht der Autoren von den Grünen kaputt regiert wird und unter den Flüchtlingsströmen versinkt.

Nun es mag in einer so großen Stadt sicher Probleme geben,  1887 gab es die auch und da hat ein junger Journalist Hans Richard Fischer, von dem der Herausgeber schreibt, daß seine vier Bücher vergriffen sind und es nur noch Artikel von ihm in der “Vossischen-Zeitung”, sowie zwei Lebensläufe gibt, die in dem Buch abgedruckt sind, einen Rundgang durch die Armen- und die Siechenhäuser, durch die Cafes, die Straßen gemacht, um die Armen dieser Stadt aufzuspüren und sie ein bißchen ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und da ist interessant, daß Hans Richard Fischer, das eigentlich sehr modern also auch Undercover, wie Günter Wallraff tut, sich also einen alten Anzug, sowie einen zerlumpten Hut aufsetzt und sich im Obdachlosenasyl einquartiert und interessant ist auch, daß er ein sogenanntes “Idiotenhaus” besucht, wie das damals wohl hieß, Sonderschule für geistig Behinderte, sagt man heute auch nicht mehr, aber sie wurden schon damals unterrichtet und der Lehrer hat für sie eigene Zeichnungen angefertig, um ihnen das Rechnen beizubringen.

Geistige Heime für gefallene Mädchen gab es auch, die von geistigen Schwestern bewacht, nähen und waschen lernten und fromme Lieder sangen und das sogenannte Arbeitshaus, in das die eingeliefert wurden, die mehr als fünf Tage im Monat, das Obdachlosenasyl aufsuchten, also angeblich arbeitsscheu waren oder sich durch Betteln durchs Leben brachten. Dort hatten sie Arbeit, aber auch saubere Kleidung und Essen und wenn sie dann nach drei Monaten oder zwei Jahren je nach Schärfe ihres Vergehens entlassen wurden, hatten sie meist wieder keine Wahl, als zu betteln und das Obdachlosenasyl aufzusuchen.

Ein Cafehaus wird besucht, kein Wiener, wie Hans Richard Fischer schreibt und die Straße, wo die Prostituierten nach ihren Freiern suchen, noch ein Irrenhaus, wo  laut dem Direktor auch einige sehr begabte Kinder herumliefen, aber das war schon in der Besserungsanstalt und am Schluß geht es zuerst in Siechenhaus, wo ein damals sehr berühmter Dichter, der den “Schiller-Preis” bekommen hat, dahinvegiterte und Hans Richard Fischer sich wunderte, daß die Stadt keinen anderen Unterhalt für ihren einstmal großen Sohn hat und ins Leichenschauhaus, die “Morgue”, wo die Toten landen.

Das Buch ist in einer etwas altmodischen Manier gestaltet, die damalige Orthographie wurde beibehalten und zum Lesen sehr zu empfehlen, so daß ich dem Verlag für die Neuauflage und das mich darauf aufmerksam machen, wirklich nur sehr danken kann.