Die Außerirdischen

Buch sieben der österreichischen Buchpreisliste und eines, das es zum meinem Bedauern nicht auf die Shortlist brachte, denn ich habe mich, seit ich auf den “O-Töne” davon hörte, in “Exlibris” gab es auch einen Beitrag, darauf gefreut und mich gefragt, ob das jetzt ein Fantasy Roman ist und es diese Außerirdischen gibt oder nicht?

Der Alfred, der auch bei den  “O-Tönen” war und “Exlibris” hörte, vermutete es hätte mit der FPÖ und vielleicht auch mit dem Wahlkampf zu tun.

Das letztere sicher nicht, denn das ist für einen Roman sicherlich zu aktuell, um die Chance zu haben, in den Kanon aufzusteigen und der 1961 in Tel Avic geborene und schon lange in Wien lebende Doron Rabonovici, ist ein Profi.

Ich denke aber immer noch an das Symposium für Sprachkunst, wo die Frage diskutiert wurde, ob man in Leipzig oder auch in Wien das Schreiben von Fantasyromanen unterrichten solle, denn das ist es ja, was die Leser wollen und wenn ich mich so in der jungen Book Tuber-Szene umhöre, dann ist es ja genau das, was sie lesen und es auch unzäliche von Dystopien, Weltuntergangszenarien, ecetera gibt.

Es ist aber, nehme ich gleich vorweg und denke da an das diabolisch überlegene Lächeln, das Doron Rabiovici während der Lesung im Museumsquartier aufsetzte. Ein sehr politischer Roman, ein gesellschaftpoltisches Portrait, das da meisterhaft mit allen Regeln der Sprachkunst und des spannenden Romanschreiben, gezeichnet wird und es hat natürlich mit dem Holocaust zu tun, was ja auch Rabinovicis Biografie und sein Engegament gegen Waldheim mit der Gründung des republikanischen Clubs etcetera, vermuten läßt. Es wirft aber auch ganz alltägliche Fragen auf. Schließen essen wir ja alle wahrscheinlich Fleisch und es gibt die Tierfabriken und die Schlachthöfe und auch die Proteste dagegen. Den Holocaust hat es gegeben und die Kriege, die Außerirdiischen warhscheinlich nicht.

Aber die kommen in Rabinovics Roman auf die Erde,  nach Wien, wo der Protagonist Sol wahrscheinlich lebt, genau steht das, glaube ich nie geschrieben. Es wird nur das Morgenjournal erwähnt, das Sol, der Gastrokriiker eines Onlinejournals mit seiner Frau Astrid, einer Museumskuratorim, also bestes Bobo-Milieu, gebildete Mittelschicht, hört und da wird berichtet, die Außerirdischen sind, nicht nur in Wien, sondern überall auf der Welt gelandet, Panik bricht aus, obwohl Astrid das zuerst für einen Scherz oder die nochmalige Übertragung eines Hörspiels hält. Es geht aber der Strom aus. Der Nachbar und sein Kind bleiben im Lift stecken. Sol will hilfe holen und sieht, wie die Supermärkte geplündert werden und Jugendliche mit Stangen auf der Straße stehen. Das hat Rabinovici, glaube ich, nicht erfunden, sondern kann man wahrscheinlich im Fernsehen vom Realgeschehen in Südamerika oder sonstwo, recherchieren.

Die Lage beruhigt sich aber wieder, nach einigen Wochen oder Tagen, das blieb mir unklar, denn zuerst heißt es, die Banken werden geschlossen. Es gibt kein Geld und keine Versorgung, dann geht aber alles sehr bald wieder in geordneten Bahnen über und die Außerirdischen, die niemand gesehen hat, heißt es, wollen den Frieden bringen. So gibt es Friedendemostrationen und Aufmärsche und das Gastromagizin in dem Sol arbeitet und das ist, glaube ich, auch ein besonderer Clou des Autors, verwandelt sich in eine  Politshow die “Brandheiß” heißt, den Namen hat Sol erfunden und es kommen auch Gerüchte auf, daß die Außerirdischen eine Wettkampfshow wollen, wo man sich freiwillig melden kann. Der Sieger bekommt viel Geld und außerirdische Exomobilien. Der Verlierer aber wird geschlachtet, weil die Außerirdischen gerne Menschen essen, also wieder ein Kannibalismus-Roman, das hatten wir ja schon auf der deutschen Liste und bei dem “O Tönen.”

Aber nein, bei Rabinovici geht es ja um Fiction und zuerst heißt es auch, daß sich kein Mensch da freiwillig melden wird. Dann kommen die aber natürlich, werden Märtyrer genannt, denn die Außerirdischen heißt es, können Krankheiten heilen und die Welt retten. Beweis gibt es dafür zwar keinen, aber das müße man halt, als das kleinere Übel hinnehmen.

Die Talkshow wird berühmt und ein anderer Nachbar  Sols, Elliot, ein Student der Luftfahrtstechnik meldet sich als Freiwilliger. Jetzt kommt es aber zu Protesten und Terroranschlägen gegen die Show und da tauchen dann auch die Sicherheitsleute in dem Haus auf, wo die Talkshow abgehalten wird.

Elliot und andere Champs, wie die Freiwilligen genannt werden, sollen dort auftreten und das Projekt verteidigen. Elliot tut es, bittet Sol dann aber, ihm zur flucht zu verhelfen, denn die Zustände in dem Vorbereitungscamp wären furchtbar und von Freiwilligkeit schon längst nicht mehr die Rede.

Sol tut es und Astrid verschwindet. Sie hat, wie wir erfahren, sich für Elliot geopfert, denn die Behörden haben gewußt, daß er nicht bei dem vorgetäuschten Brandt, ums Leben gekommen ist, sondern Sol ihm zur Flucht verholfen hat. Sol sucht Astrid und kommt jetzt selbst in das Lager und wird auf die Insel geschickt, die sich nicht so paradiesisch erweist, wie den Freiwilligen eingeredet wurde.Kein Luxus, sondern blanker Terror. Ein Konzentrationslager und, um die Schlachtung geht es eigentlich nicht mehr oder doch, um sie schon, es wird aber kein Fleisch verpackt und verarbeitet.

Sol trifft Elliot und Astrid wieder. Elliot wird vom Mitläufer zum Widerstandskämpfer und am Ende sind wir dort, wo wir nach 1945 und wahrscheinlich bis zur Waldheim-Affaire waren.

Sol und Astrid kommen zurück, gelten als Traumatisierte, werden interviewt, sollen aussagen, werden aber auch gefragt, wieso sie zurückkommen konnten und ob sie nicht vielleicht selbst an ihrem Unglück schuld waren?

Die Außeridischen, die ja immer noch niemand gesehen hat, sind abgezogen. Denn sie haben, hört man von den Zuständen auf der Insel nichts gewußt und wollen jetzt kein Menschenfleisch mehr. Elliot soll angeklagt werden, Astrid und Sol werden aber für ihn aussagen und das Leben geht weiter. Wieder hat niemand von etwas gewußt und wir wissen jetzt vielleicht noch immer nicht, ob wir einen Fantasyroman gelesen haben und ich könnte vermuten, daß manche jugendliche oder auch ältere Leser enttäuscht sein werden, wenn sie vielleicht unbedarft nach dem Buch griffen und etwas anderes, als erwartet zu lesen bekommen.

Und ich bin enttäuscht, daß Doron Rabinovice, der ausgefuchste, diabolische nicht auf die Longlist kam. Denn wer soll jetzt den Preis gewinnen?

Robert Menasse, der, wenn auch anders, einen ebenso politischen Roman geschrieben hat, meiner etwas naiven Mainstreamleserseele liegt aber Rabinovicis Art mehr, kommt nachdem schon deutscher Buchpreisträger, vielleicht doch nicht mehr in Frage, denn das wäre ja fad und wohl auch ungerecht, das Geld nur an einen, statt an zwei zu verteilen, Paulus Hochgatterer Geschichte ist mir zu wenig zu wenig neu, Olga Flors Roman zu kompliziert und mit der experimentellen Literatur haben es sowohl ich, als auch die meisten Bücherkäufer nicht so sehr. Da blieben nur noch Eva Menasses raffinierte Kurzgeschichten über, die ich eigentlich auch nicht so mag.

Aber ich weiß schon, der Lesergeschmack ist auch nicht der gesellschaftspolitische Fantasyroman, der keiner ist und so wird wahrscheinlich, vermute ich jetzt mal, Eva Menasse oder Paulus Hochgatterer den öStBp gewinnen und ich habe einen sehr  spannenden Roman gelesen, der uns zeigt, wie die Welt leider ist.

Die Menschen schlecht, Fleischfresser, politisch  unlorrekt, Hassposter und Dirty-Campainer, ecetera und was man dagegen machen kann, hat Doron Rabinovici uns auch nicht geseagt. Aber das weiß er wahrscheinlich ebensowenig, wie ich und es wäre auch  zu vermessen, das von einem Autor zu verlangen. Also ich habe einen sehr spannenden politischen Roman gelesen, der mit sehr gefallen hat und jetzt bin ich gespannt, wer den österreichischen Buchpreis gewinnen wird?