Metropol

Der neue Roman des deutschen Buchpreisträgers von 2011 Eugen Ruge, der wieder von seiner Familie, besser von seiner Großmutter Charlotte handelte, einer deutschen Kommunistin, die in Moskau 1936 und 1937 in dem berühmten Hotel Metropol festgehalten wurde und von Tag zu Tag miterleben mußte, wie einer von den anderen Parteigenoßen, die auch zwangseingewiesen wurden, verschwand.

Es beginnt mit einem Besuch im “Russischen Staatsarchiv für soziopolitische Geschichte”, wo Ruge sichden Akt der Großmutter ausheben ließ und dann gekonnt, die Fakten mit der Fiktion verbindet.

Weiter gehts  mit den berühmten Schauprozessen, wo alle Angeklagten, die unglaublichsten Taten gestehen und dann hingerichtet werden und Charlotte, die mit ihrem zweiten Mann Wilhelm unter falschen Namen auf einer Kreuzfahrt ans schwarze Meer unterwegs ist, liest in der Prawda von einer der Hinrichtungen und gerät in Bedrängnis, denn sie haben  den Hingerichteten ein Grammaphon verkauft, was offenbar schon ausreicht, um in Ungade zu fallen.

Dem Buch sind Originaldokumente beigelegt, die die Briefe enthalten, die das Ehepaar zu seiner Rechtfertigung schrieb, trotzdem werden sie  in das berühmte Jugendstilhotel eingwiesen und Ruge schildert sehr anschaulich die Lebensbedingungen, die dort herrschten und das Mißtrauen, das die Genossen untereinander hegten.

Charlotte ist eine aufrechte Kommunistin, die mit Sommerschuhen durch das winterliche Moskau wandert, wo man in der Prawda neben den Schauprozessberichten immer wieder lesen kann, daß Genosse Stalin, das Leben für alle wieder ein Stückchen schöner und bunter gemacht hat.

Sie ergattert auch Winterschuhe und geht damit ins Bolschoitheater. Leider sind die Sohlen aus Pappe, so daß sie die Schuhe von einem illegalen Schuster reparieren lassen muß, was in der aufrechten Kommunistin Schuldgefühle und auch erste Zweifel aufkommen lassen.

Ein Detail am Rande ist, daß Lion Feuchtwanger, der ja  den Schauprozessen beiwohnte und auch das berühmt berüchtigte Jubelbuch über “Moskau 1937” geschrieben hat, eine Zeitlang Charlottes Zimmernachbar war.

Zuerst müßen sie sich, um die Lebensmittel anstellen. Später bekommen sie das Personalessen im Hinterteil des Restaurant von einer unfreundlichen Kellnerin hingeknallt und es gibt in dem Buch noch zwei weitere Handlungsstränge, einer davon ist einem Richter gewidmet, der Schmetterlinge sammelt, sich gegenüber seiner Frau nicht durchsetzen kann, aber dreitausend Todesurteile unterschrieben hat, der andere behandelt, das Schicksal einer Sekreätrin, die  bei den zu Tode verurteilten ist.

Charlotte und ihrMann werden verschont und 1937  nach Frankreich ausgewiesen, wo sie später zuerst nach Mexiko und dann in die DDR kamen, wo Ruge seine Großmutter kennenlernte und erst spät über seinen “Buchpreisroman” zum Aufarbeiten ihres Schicksals gekommen ist.

Ein interessantes Buch, das die Zustände in Moskau in der Stailinzeit sehr eindringlich wiedergibt.

Julian Barnes hat “Im Lärm der Zeit” ja etwas Ähnliches am Schicksal von Schostakowitsch versucht.

Ljuba Arnautovich, die in Rußland geboren wurden, weil ihre Eltern nach dem Februarkämpfen nach Rußland geschickt wurden, hat  über ihre Großmutter geschrieben und vom “Leidensweg” von Alexej Tolstoi, der ja glaube ich auch den Schauprozessen beiwohnte, habe ich auch zwei Bände gelesen, die ja die Zeit nach der Oktoberrevolution schildern.