Ich an meiner Seite

Buch sieben der deutschen Buchpreisliste und der erste oder zweite Roman der 1985 im Pongau geborenen Birgit Birnbacher, die Soziologe studierte, als Sozialarbeiterin gearbeitet hat und 2019 den “Bachmannpreis” gewonnen hat.

Ihr Debut “Wir ohne Wal” mit dem sie auch für den “Alpha” nominiert wurde und auf das ich durch den “Bloggerdebutpreis” aufmerksam geworden bin, habe ich gelesen und hatte meine Schwierigkeiten, weil ich so schnell von einer Geschichte oder Kapitel nicht zum nächsten springen konnte und daher den Romaninhalt nicht ganz erfaßte.

Die Bachmanngeschichte der “Schrank”hat mir aber sehr gefallen und, ich glaube, ich habe beim Publikumsvoting auch dafür gestimmt.

“Ich an meiner Seite” wurde auch bei den O-Tönen vorgestellt und da mußte der Moderator die Autorin nach dem realistischen Thema, es geht ja um einen Haftentlassenen fragen und wunderte sich darüber, daß eine Soziologin Romane schreibt oder so und das ist glaube ich, auch das Dilemma des Romanes, beziehungsweise der Birigit Birnbacher oder des Anspruches, daß vielleicht nur dann etwas als literarisch gilt, wenn es sehr abgehoben ist und damit habe ich ja, die realistisch schreibende erfolglose Autorin meine Schwierigkeiten.

Bei der Lesung bin ich auch nicht ganz mitgekommen, was ja natürlich ist, wenn man aus einem Buch nur Auszüge hört und jetzt, denke ich, daß es sehr schwer und wahrscheinlich unmöglich ist, auf eine literarisch anerkannte Art, die Geschichte eines Haftenlassenen zu erzählen.

Da geht es mir dabei wahrscheinlich ähnlich wie bei “Blauschmuck” wo ich ja auch dachte, so spricht eine türkische Unterschichtfrau nie im Leben bei “Ich an meiner Seite” ist es noch viel viel schwieriger, da Birgit Birnhaber meiner Meinung nach hier zu oft von einem Stil und einer Zeitebene zur anderen hinundherpendelt, obwohl das Buch von der Kritik sehr gelobt wird und es vielen auch sehr gefallen hat.

Birigt Birnbacher erwähnte bei den O-Tönen noch, daß ihr Arthur nach einem realien Vorbild geschrieben wurde und ich muß sagen, das Buch hat mich sehr verwirrt.

Es beginnt mit einer Fahrt von St. Pölten nach Wien, da fährt Arthur auf die Universität und traut sich dann nicht hinein, weil er hat ja eine Haft hinter sich und das darf er den Mitstudenten nicht verraten.

Dann geht es zurück oder nach vor. Das Buch wechselt, wie schon geschrieben, sehr oft die zeitlichen Ebenen. Da ist jedenfalls Arthur zweiundzwanzig, der eine drei jährige Haftstrafe hinter sich hat. Man erfährt lange nicht, das wurde auch bei den O-Tönen thematisiert, warum er gesessen ist,

Er hat jedenfalls einen Bewährungshelfer oder komischen, sprich unkonventionllen Therapeuten namens Dr. Vogl genannt Bird, der an ihm ein besonderes “Starring” genanntes programm ausprobieren will, wo er in “Schwarzschrift” alles aufschreiben soll.

Sigmund Freud hat, das glaube, ich freies Assoziieren genannt. Aber bei Birgit Birnbacher ist alles komplizierter und Arthur schreibt auch alles schön auf und da erfahren wir teilweise ganz realistisch und das fand ich sehr gut, den Lebenslauf des Arthur, auch wenn der wieder ganz schön verwirrend ist.

Er ist in Bischofshofen in einer Eisenbahnsiedlung aufgewachsen, hat einen Bruder, der Vater hat die Mutter bald verlassen und er sollte eigentlich auch Mario heißen. Die Mutter fand dann bald einen anderen Freund und ging mit ihm und den Kindern nach Andalusien, um dort ein luxus Sterbehospitz zu gründen, was auch schon mal ganz ungewöhnlich ist, das von einer Eisenbahnsiedlung aus zu machen.

Es gibt dann einen Freund und eine Freundin und einen Unfall, die Freundin ertrinkt, Arthur fühlt sich an ihrem Tod schuldig und kehrt kurz nach der Matura nach Österreich zurück. Dort hat er kein Geld und kommt so in den Betrug hienein, der ihn drei jahre ins Gefängnis bricht.

Nun ist er entlassen und soll resozialisiert werden, hat den schon erwähnten Bewärungshelfer, wohnt in einer betreuten WG und soll Bewerbungsschreiben schreiben und Praktika machen.

Daß ein Haftentlasser in der Gesellschaft wie dieser, seine Schweirigkeiten hat, ist auch sehr realistisch und Birgit Birnbacher versucht auch, glaube ich, mit dem Buch das aufzuzeigen, warum dann eine alte Exschauspielerin die an einer unhelbaren Kranheit leidet und Patientin in dem elterlichen Hospitz war, Arthur nach Wien mit ihren vierundzwanzig Stunden Betreuerinnen ins Hotel Bristol folgt, um ihn zu helfen, ist wahrscheinlich nicht ganz realistisch und warum sie nicht, wenn sie das schon tut, ihn nicht unter die Arme greift, sondern ihn seiner seltsamen Therapie und dem ähnlich seltsamen Wohnheim überläßt, ist auch nicht klar.

Ein Buch das “Jung und Jung” und auch der Literaturkritik gefällt, bei “Amazon” schreiben die Leser, das Strafentlassene bisher eher etwas Fremdes für sie waren und ich bin nicht ganz sicher, ob man dem Thema nach diesem Buch wirklich näher gekommen ist und auch nicht, ob das Leben des Vorbildes wirklich so wiedersprüchlich war, wie Birigt Birnhaber es in ihrem Roman schildert.

Wir ohne Wal

Weil ich ja jetzt mit dem “Shortlistenlesen” des “Bloggerdebutpreises” fertig bin, gehe ich zur “Longlist”, beziehungsweise den dort eingereichten Bücher über und lese natürlich nicht alle davon, die von “Kremayr&Scheriau” und Friederike Gösweiner habe ich auch schon gelesen, nur die, die ich mir inzwischen bestellt habe oder zum Geburtstag wünschte und das sind noch vier andere und das erste das auf meiner Leseliste steht und auf die Besprechung wartet, ist Birgit Birnbachers “Wir ohne Wal”.

Da war ich ja im September beim “Schlagabtausch zwischen Deuticke und Jung” und da hat ja Martina Schmidt den Debutroman aus Jochen Jungs Produktion sehr gelobt und ein Stückchen daraus vorgelesen.

Mir war die 1985 im Pongau geborene Autorin, die mit dem Buch inzwischen auch den “Literaturpreis der Jürgen Ponot Stiftung 2016” gewonnen hat, bisher unbekannt und Martina Schmidts Schwärmerein haben mich auch nicht so berührt, daß ich mir das Buch bestellt hätte.

Dann geriet ich aber auf diesen Debutblog und da hat ja der Blogger Marc, der mir inzwischen ein paar Kommentare geschrieben hat, das Buch auf seine höchstpersönliche Shortlist gestellt und ich bin neugierig geworden.

Das Thema ist auch sehr interessant und schließt an Friederike Gösweiners Prekariat der Dreißigjährigen an.

Hier geht es um die Generation fünfundzwanzig und von ihnen erzählt, die Soziologin und Behindertenpädagogin in zehn Kapiteln oder Episoden, denn eigentlich ist es wieder ein Episodenroman und in den einzelnen Kapiteln, die schöne Titel haben und denen auch immer ein Zitat voransteht, erzählt eine Person, deren Namen oben neben dem Titel steht, etwas einer anderen und so entsteht ein Reigen von Personen und Ereignissen, die wir, wie auch in meinen “Dreizehn Kapiteln” in den anderen Kapiteln gelegentlich wiederfinden.

Das Ganze ist sehr poetisch und sprachlich schön erzählt, deshalb ist es wohl auch bei “Jung und Jung” erschienen und deshalb hat die Autorin auch schon mehrere Preise bekommen.

Und der Wal, der Titel gebend ist, ist eine Installation, eine Performance, die die Künstlerin Anna, der das erste Kapitel gehört, über eine Kleinstadt installiert hat, der ist immer zu sehen und schwingt sich so  durch den Reigen bis zum letzten Kapitel, wo er plötzlich verschwunden ist und die Personen, Markus, Anna, Sanela, Eve, Nora, Ella, Lautsprecher, etcetera, die durch die Kapitel führen sind entweder Studenten, Künstler oder Schulabbrecher.

Ein paar gehören wohl auch zu den Klienten von Birigit Birnbacher, denn Therapeuten, Bewährungshelfer, betreute WGs, etcetera, spielen in dem Buch eine Rolle.

Die einzelnen Kapitel oder Episoden hängen nicht sehr zusammen und es liegt wohl auch an mir, daß ich ab Kapitel fünf irgendwie den Anschluß  verloren habe und nicht mehr wirklich wußte, um was es da eigentlich geht?

Obwohl der Klappentext  eine sehr schöne Zusammenfassung von dieser verlorenen Generation gibt, die da in ihrer Kleinstadt sitzt, Drogen nimmt, zu Sexparties gehen und auch aus Langeweile und im Drogenrausch Tankstellen überfällt und dann in einer sozialtherapeutischen Einheit landet, wo man mit seinem Bewährungshelfer Psychospiele spielen muß.

Aber wieder schön der Reihe nach, die ersten Kapitel waren auch sehr beeindruckend, ist da ja die Künstlerin Anna, die zu ihrer Schwester Johanna, die Tierärztin ist, nach Zürich fährt, von ihrer Kunstinstallation erzählt und darunter leidet, daß sie nicht sozialversichert ist und, daß der Vater die Schwester, nicht sie danach fragte, ob sie ihm eine Niere spenden will?

Dann wechselt die Szenerie, von der Performancekünstlerin geht es in die therapeutische Wohngemeinschaft, denn Marko hat mit einer Pistole  im Drogenrausch eine Tankstelle überfallen und der dortigen Kassierin eine posttraumatische Belastungsstörung beschert. So bekommt er einen Bewährungshelfer, muß für ein paar Wochen in die WG und als er entlassen wird, schleppt ihm seine große Liebe Sanela gleich zu einer Party in ein geschlossenes Schwimmbad und drückt ihm wieder ein Drogenbrieflein in die Hand. Er macht wahrscheinlich das Vernünftige und, das was die Bewährungshelfer raten würden, er fährt ihr im Bus davon.

Dazwischen gibt es ein Kapitel, wo einer oder eine nach einem Unfall und einem Wohnungsbrandt im Krankenhaus liegt und aus dem Fenster den Wal beobachten kann.

Dann geht es zu Sanela, die auch in therapeutischer Behandlung ist, um mit ihrer Paranoia zurechtzukommen, das habe ich dann schon ein wenig weniger dicht gefunden und denke im realen Leben passiert es wahrscheinlich, daß Beziehungen auseinandergehen, hier war mir das aber  zu wenig ausgearbeitet und ab da habe ich, wie ich fürchten muß, den Anschluß trotz der schönen Sprache  verloren  und bin  mit dem weiteren Geschehen, wo eine Frau von einer Brücke springt, ein paar der Protagonisten Parties besuchen, wo sie sich ausziehn müßen und es auch, um die Frage geht, wie ähnlich sich Menschen und Bananen sind, nicht mehr recht mitgekommen oder noch den vorigen nachgehangen, da die  einzelnen Episoden, doch mehr Erzählungen sind, die, wie andere Rezensenten meinten, eher gewaltsam zu einem Roman zusammengestoppelt wurden, um sich, als Roman verkaufen zu lassen.

Wahrscheinlich war es mir zu poetisch und zu abgehoben und eine realistischere Erzählung, wie es mit Marco und Sanella oder der Künstlerin Anna weitergeht, wäre mir lieber gewesen, als dieses hochpoetische Hopping von Kleinstadtereignis zu Kleinstastadtereignis, das beim Lesen auch sehr anstrengend wurde, wenn man noch bei der vorigen Erzählung war, sich aber schon auf die nächste Geschichte einstellen sollte.

Das Leben ist heutzutage, hart genug, da muß man wahrscheinlich gar nicht dreißig werden und trotz bester Ausbildung keinen Jobs bekommen, auch das Leben in einer Kleinstadt, wo es Wale, als Kunstinstallationen gibt und Bananenstauden vertrocken, ist es wahrscheinlich und kann, wie ich in dem letzten Buch, das ich gelesen habe, erlebte, auch ganz einfach erzählt werden und trotzdem packen.

So bleibe ich ein wenig ratlos zurück und ich bin gespannt, was ich noch von Birgit Birnbacher hören werde und, ob ich mit ihren anderen Texten besser kann?