Die dritte Schreibgruppenvariante

Heute also wieder Schreibgruppe, die unter einem ungünstigen Stern gestanden ist. Seit Februar 2017, seit das Cafe Fortuna, vormals Ludwig geschlossen wurde, finden ja die einmonatigen Schreibtreffs bei mir statt und seit die Kilics nicht mehr dabei sind, sind wir sechs Personen, Peter  Czak, der sich ja schon einmal krankheitshalber zurückgezogen hat, Klaus Khittl, Doris Klomstein aus St.Pölten, Ruth Aspöck, Robert Eglhofer und ich.

Im Jänner war Margit Heumann einmal Gast und die Schreibtreffen bei mir klappten immer erstaunlich gut, im Herbst 2016 noch im Cafe Ludwig waren sie ja ohne dem Peter eher schwach besucht und diesmal war das Treffen besonders wichtig, hatte Peter Czak ja um eine Verschiebung von Dienstag auf Montag gebeten, was ich mit der Gruppe besprechen wollte, er hat dann aber auch für heute abgesagt, die Ruth ist noch krank und der Robert hatte, obwohl er ja mit der Ruth zu Jasminka Derveaux Vortrag über dieLiteratur in Triest in den Pensionistenclub gehen sollte, eine Vorlesung und ist später gekommen. Er kann am Montag nicht, die Ruth auch nicht und zu dritt oder viert kann man ja eher keine Gruppenentscheidungen treffen.

Der Robert ist dann um sieben gekommen, obwohl wir die Treffen der St. Pöltner wegen auf sechs vorverlegt haben und als Thema habe ich, weil ich ja immer schon an meinem neuen Projekt arbeiten will, “Anfänge” vorgeschlagen, das war dem Klaus aber zu allgemein, so schlug die Doris ein seltenes Tier vor, das war dann wieder zu konkret, also einigten wir uns auf “Auschluß” weil der Doris vor kurzem etwas Derartiges passierte oder sie miterlebte und ich dachte, klar ich kann ja bezüglich meiner Magdalena Kirchberg über alles schreiben oder eigentlich auch über nichts, denn so wirklich weiß ich ja schon wieder nicht, über was ich jetzt schreiben will. Über eine Frau, die sich in ihrer Pension zuirückgezogen hat, die eine gleichnamige Tochter hat, ihr Leben ins Netz stellen will und am Abend vom Literaturhaus nach Hause geht und an der Kreuzug Ecke Hofmühlgasse-Pilgramgasse einen weißen BMW stehen sieht.

Das hatten wir nicht nur ein sondern sogar schon zweimal und für allle Kontrollfreas ich habe jetzt wirklich die selbe Szene dreimal geschrieben. Die Jänner und die Februarvariante gibt es oben zu sehen und, wie es weiter geht, werden wir vielleicht im April wissen und ebenfalls, wie und wann es mit der Schreibgruppe weitergeht, die ja jetzt schon sehr lang besteht und die eigentlich sehr lustig ist und zu der ich ja einmal nur dem Robert zuliebe als Gast hingehen und sie mir ansehen wollte.

“Ausschluß- ausgeschlossen- finito aus. Was sind denn das für Worte, die mir da durch den Kopf gehen, dachte Magdalena Kirchberg und seufzte aus. Sehr böse Worte, die an unangenehme Momente ihres Lebens erinnern konnten. An Ausschlußmomente- Kündigungserfahrungen-  und Abgrenzungen. Traumatische Ereignisse ihres Lebens, die sie geprägt hatten, noch prägen konnten und jetzt doch vorüber waren. Vorbei- finito- aus. Dabei hatte sie doch noch gar nicht mit ihrem Leben abgeschlossen, sondern war gerade erst einmal in Pension gegangen.

Ein Anfang also sozusogen, ein Neubeginn, eine neuen Lebensphase, in der sie sich gerade befand. Die sie seit Beginn des Monats angetreten hatte und auch genoß, weshalb ihr eigentlich unklar war, wieso sie sich ausgerechnet heute, als sie  von der Abendveranstaltung im Literaturhaus kommend, mit der Ausschlußfrage beschäftigte.

Ausschluß- ausgeschlossen- finito, aus, hatte sie gedacht, als sie den weißen BMW vorhin an der Kreuzung Wienzeile – Hofmühlgasse stehen sehen hatte und sie die Silouetten, der drei sich darin befindenden Personen, an Oberarzt Dr. Rössler von der Station 6B der psychiatrischen Universitätsklinik des  AKHs erinnert hatte und die sich im Fond befindende Frauengestalt erinnerte  an Schwester Hildegard. Was eigentlich ein Wahnsinn war und gänzlich unwahrscheinlich, denn ihr Aufenthalt auf Station 6B im AKH, war  dreißig Jahre her, so daß sich Dr. Rössler längst in Pension befinden mußte und die psychiatrische Krankenschwester Hildegard würde auch schon an die sechzig sein, während die  im Auto befindene Frauen zwischen zwanzig und dreißig gewesen war und sie sich also auf einer Reise in die Vergangenheit befand.

In ihre Vergangenheit, in eine unangenehme Phase ihres Lebens, an das sie das weiße Auto erinnert hatte. An eine schlimme Lebensphase, wo sie sich sehr ausgeschlossen, ausgegrenzt und abgeschoben gefühlt hatte, was zu dem damaligen Psychiatrieaufenthalt geführt hatte, der heute, da sie ihre Pension inzwischen angetreten hatte, lange schon vergessen war. Zumindest hatte sie das geglaubt. Das weiße Auto an der Kreuzung vor der sie auf das Grünwerden der Ampel gewartet hatte, hatte aber  alte Wunden wieder aufgerissen und sie eines anderen belehrt.

Magdalena Kirchberg hatte inzwischen ihre grüne Jacke ausgezogen und sie auf den Garderobenständer gehängt, danach die kleine Küche betreten. Hatte ein Glas von einem der offenen Regale genommen und sich Rotwein eingeschenkt. Einen tiefen Schluck genommen und danach, ein- beziehungsweise ausgeatmebnt. Sich zugeprostet und “Ausschluß- ausgeschlosen finito aus”, den Gedanken wiederholt, den sie seit einer halben Stunde ununderbrochen dachte und der nicht, obwohl er solange nicht vorhanden war, aus ihrem Kopf zu bekommen war.

In der Pension, das hatte sie sich schon  lange vorgenommen, würde sie sich ihrer Vergangenheit stellen und ihre Memoiren schreiben, beziehungsweise diese in Form eines Blogromans ins Internet stellen. Das hatte sie geplant und trotzdem, obwohl sie nun schon seit zwei Wochen Pensionistin war, noch nicht damit begonnen. Wahrscheinlich, weil es ihr nicht gelungen war, einen diesbezüglichen Anfang dafür zu finden. Was jetzt anders werden könnte, wie sie energisch dachte, als sie einen zweiten tiefen Schluck nahm und sich zuprostete. Ganz anders, denn wenn sie sie über ihren Ausschluß damals, die Ausgrenzung und Kränkung, die ihr einmal widerfahren war, schreiben wollte, könnte sie doch mit der Begegnung im weißen BMW mit Dr. Rössler, Schwester Hildegard und auch mit dem Unfallchirurgen Joachim Sandter, der eigentlich und ganz genau genommen, am Anfang ihrer Ausgrenzung stand, beginnen.”