Hier sind Löwen

Buch vierzehn des dBps Katerina Poladjans “Hier sind Löwen”, schließt sich eigentlich ziemlich nahtlos an Alexander Osangs “Das Leben der Elena Silber”, an, wurde die Autorin, die armenische Wurzeln hat und schon beim “Bachmannpreis” gelesen hat doch 1971 in Moskau geboren und sie hat auch einen Familienroman, in dem es um Wurzeln und die Herkunft ihrer Familie geht, geschrieben.

Die Buchrestauratiorin Helen oder Helena Mazavian, Tochter der Künstlerin Sara, die sie ohne ihrem deutschen Vater allein aufgezogen hat und sie als Kind dadurch verstörte, daß sie ihre Puppen und Stofftiere zerschnitt und neben die Fotos toter armenischer Kinder performiertte, reist nach Jerewan, um dort eine bestimmte Art der armenischen Buchbindekunst zu erlernen.

Sie solle eine Bibel restaurieren und findet in ihr einen bestimmten Satz.

“Hrant will nicht aufwachen!”

Das veranlaßt sie nach ihrer eigenen Familie zu forschen, um herauszufinden, wie das mit ihrer Großmutter war.

Das bleibt aber vage und unbestimmt, weil sie eigentlich keine Informationen dazu bekommt und auch keine wirklichen Spuren findet.

Sie, die in Deutschland ihren Freund zurückgelassen hat, nimmt in Jerewan eine Beziehung zum Sohn der Chefin des Archivs auf, einem Soldaten, der im Laufe des Romans stirbt und die fiktive Geschichte von zwei Kindern, denen die Bibel gehört haben könnte und die mit ihnen während des Völkermordes zu flüchten versuchten und die Helenes Vorfahren sein könnten, wird auch immer wieder eingestreut.

Eine ähnliche vage Geschichte, wie die von Alexander Oslang, die aber doch ein wenig einführt in die armenische Geschichte, die Suche nach den Wurzeln ihrer Familie, die aber auch Helen nicht wirklich findet, wie sie auch ein wenig vage, widersprüchig und undefiniert geschildert wird, die aber doch einen interessanten Einblick und die Motivation geben kann, sich weiter mit der Geschichte der Armenier zu befassen und da habe ich ja erst heute einen Roman darüber im Bücherschrank gefunden, den ich mir aus genau diesem Grund mitgenommen habe und ein Sachbuch über den Völkermord in Armenien habe ich auch einmal zum Geburtstag bekommen.

Amerikatz

Jetzt kommt ein Zwischenbuch, nämlich in den letzten Tagen von 2015 begonnen und am ersten Jänner zu Ende gelesen, ein Buchgewinn von “Buchrevier”, denn dort wurden, im Oktober, zehn Bücher von Wilhelms Bartsch “Amerikatz” aus dem “Osburg-Verlag” verlost.

Darunter stand noch etwas wie “Verlagspromotionen sind Werbung und werden von Buchrevier  redaktionell  nicht kommentiert und begleitet”

Bekommen habe ich das Buch  mit lieben Wünschen vom Verlag.

Den Bücherbloggern ist es ja sehr wichtig mit den Verlagen zusammen zu arbeiten und das ist wohl eine diesbezügliche Aktion.

Ich habe also gewonnen und mich nun durch das Buch gelesen und da Tobias Nazemi, den ich durch das Buchpreisbloggen kennenlernte und dessen Blog ich immer noch verfolge, wissen wollte, wie es mir gefallen hat, bin ich wieder ein bißchen ratlos und frage mich, ob er es gelesen, beziehungsweise, wenn, ab welcher Seite er es weggeschmissen hat?

Denn es ist ähnlich oder auch anders, als das “Bessere Leben” von Ulrich Peltzer, ein Buch, das es dem Leser nicht einfach macht, ihm zu folgen und es zu verstehen.

Ich bin ja diesbezüglich schon einiges gewöhnt und keine, die schnell aufgibt, ich schaue bei “Amazon” nach, wie es die anderen empfinden.

Da gibt es aber noch keine Rezensionen, obwohl das Buch schon im August erschienen ist und wenn man weiter googlet findet man etwas, daß das ein Buch ist, für das man ein Lesebändchen, einen Gürtel oder etwas anderes benötigt, um den ausufernden Inhalt einigermaßen zu bändigen und selbst dann wird einer das nicht gelingen,  wie wahr!

Wilhelm Bartsch, der mir bisher unbekannt war, entnehme ich, dem Klappentext, wurde 1950 in Erberswalde, das war wohl in der DDR, geboren und debutierte 1986 mit einem Lyrikband, der ihn schlagartig in beiden Teilen Deutschlands berühmt machte und “Amerikatz” ist sein dritter bei “Osburg” erschienener Roman.

Um was es geht, kann man dem Klappentext entnehmen. Da ist Privatdetektiv Micah Macrobius, mit armenischen Wurzeln, der mit einer Frau namens Adele ein Detetktivbüro in Berlin Charlottenburg hat und dessen Spezialität es ist, nach  Verschwundenen überall auf der Welt, besonders aber in Amerika, zu fahnen.

So wendet sich der Ex Stasi General Boris Untied an ihm, um seinen Sohn Jan zu suchen. Der ist ein Schriftsteller, todkrank und hatte ein Verhältnis mit einer cherokesischen, das ist ein Urindianerstamm, Künstlerin namens Jensie Stone.

Das steht auf ein paar Zeilen, Wilhelm Bartsch führt das nun auf fast vierhundert Seiten aus und führt seine Leser dazu zuerst in den Kaukasus, dann nach Amerika und wieder zurück nach Berlin und nicht genug, denn es ist ja, wie weiters dem Klappentext zu entnehmen ist, nicht nur ein Detektivroman, sonder auch eine “abgründige Liebesgeschichte” und auch noch eine philosophische Weltdeutungsparabe über die verblüffenden Verbindungen nur scheinbar entlegener Dinge”.

Ich glaube, es ist gerade das und nicht, wie ich anderswo lesen konnte, ein Roman über Künstler, Jan Untied war Stipendiat in Wipersdorf und hat in Armenien an einem Poesiefestival teilgenommen, denn es geht wieder mal vom  Hundertsten ins Tausendste und auch zurück.

Um Karl May, Ossip Mandelstam, da hat Wilhelm Bartsch, der Lyriker, auch das Gedicht “Der Wagenlenker” mit Hilfe von Elke Erb, neu übersetzt.

Es geht um Indianer, um den armenischen Genozid, um Franz Werfels “Die vierzig Tage des Musa Dagh und noch  um jede Menge anderer Dichter , von Wolf Biermann bis zu  Berthold Brecht, denen Micah Macrobious auf seinem “irren Wettrennen” durch die Welt und von sämtlichen Geheimdiensten verfolgt, begegnet.

Am Schluß findet er die Urne Jan Untieds, verrät die gnadenlose Spoilerin, froh wenigstens etwas verstanden zu haben und gerät mit ihr bei der Ausreise aus Amerika wieder in Schwierigkeiten mit den Behörden, weil seine Fingerabdrücke darauf zu finden waren.

Aber Schwierigkeiten hat er schon bei der Einreise oder überhaupt auf den vorigen dreihundertfünfzig Seiten zur Genüge gehabt und er kommt auch heil  in Berlin Charlottenburg an, beziehungsweise gerät er, wie der Klappentext weiter verrät, auch noch zu den “Gespenstern der Vergangenheit” und ein berühmtes Berliner Hotel, das es nicht mehr zu geben scheint, spielt auch eine Rolle. Wien und Udo Proksch kommen ebenfalls vor.

Wilhelm Bartsch würde ich unterstellen, hat dieser Parcourritt durch die Genres, großen Spaß gemacht, um sein  literarischen, zeit- und andergeschichtliches Wissen zu zeigen.

Die Leser werden es wohl schwerer haben, denn die, die eine Detektivstory von Berlin durch den Kaukasus nach New York und wieder zurück mit viel Spannung und Action erwarten, werden soviel literarische, geschichtliche etcetera, Anspielungen nicht aushalten und die die sich für Ossip Mandelstam und den armenischen Genozid interessieren, wird die Krimihandlung wieder zu banal sein und die Sprache zu derb.

Der Stil ist auch nicht ganz einfach zu lesen. Manches wird auf den Kopf gestellt “Wer zu früh kommt, straft das Leben!”, heißt es so ein paarmal, “Pidgin-Englisch” wird verwendet und Witze erzählt, wenn Mikah mit dem Geheimdienst im Flugzeug oder im armenischen Kognag-Keller sitzt und auf Seite 196 habe ich mich verlesen und hätte während der “Pinkelpause” fast gedacht, Wolf Biermann wäre dort mit seiner georgischen Freundin bei einem mysteriösen Autounfall umgekommen, es war aber Paruir Sewak, ein Dichter von dem ich noch nie etwas gehört habe, also wieder etwas gelernt auf dieser hektischen Verfolgungsjagd.

Ich bin ja eine, die keine Bücher wegwirft und ich kann auch nicht sagen, daß es mir nicht gefallen hat.

Ich habe nur wieder einiges nicht verstanden,  es aber sehr interessant gefunden, den Dichter Wilhelm Bartsch kennenzulernen und denke, ich sollte jetzt Ossip Mandelstam lesen. Karl May nicht, der interessiert mich nach wie vor, soviel wie Fußball.

Aber “Die vierzig Tage des Musa Dagh” und die habe ich ohnehin zum Geburtstag bekommen.

Der gigantische Ritt zwischen die Genres ist also sehr lehrreich, ich glaube auch, obwohl das ja in den Schreibratgebern anders steht, daß man das durchaus darf und  bin nun sehr gespannt, wie die anderen Leser das Buch empfunden haben?

Jetzt muß ich noch verraten, wieso es heißt, wie es heißt, weil ich das in meinen Bemühungen, eine  Klammer zu finden, fast vergessen hätte. So wird die Künstlerin Jensie Stone genannt. Was Ossip Mandelstam, der von Stalin zu Tode gefoltert wurde, sowohl mit Armenien, als auch mit den Cherokesen zu tun hat, habe ich dagegen noch immer nicht verstanden, außer man würde, die Gewalt auf dieser Welt, als gemeinsamen Nenner nehmen.

“Ein lustvoller Abgesang auf das Zeitalter der Informationsüberflutung, in dem nur überlebt, wer das wirklich Wichtige nicht aus den Augen verliert”, liefert noch der Buchrücken zur Erklärung.

Dazu passt ganz gut ein Buch mit dem ich das Jahr 2015 begonnen habe.