Die bessere Geschichte

Nach den Frauentagssachbüchern geht es gleich weiter mit den Frühjahrsneuerscheinungen und Anselm Nefts Roman, der im Vorjahr in Klagenfurt gelesen hat, passt irgendwie auch zum Thema, obwohl er als Internatsroman gehandelt wird und als eine Mischung zwischen “Zögling Törless” und “Humbert Humbert”.

Das ist Tilman Weber, der Erzähler, der seine Mutter früh durch Selbstmord verloren hat. Die Beziehung zu seinem Vater ist  auch nicht so ohne. Als er dreizehn ist und der Vater eine neue Freundin hat, wird er in ein Internat, das heißt, eine freie Schule, ein Vorzeigebild der Reformpädagogik, das die Wielands an der Ostsee gründeten, abgeschoben.

Dort ist alles schick und modern. Es leben immer einige Schüler mit zwei Lehrern in einer Familie zusammen und man brauchte keine Regeln einhalten, hat keine Noten, sondern spielt das Leben eben nach, begibt sich in die Antike, stellt Fragen, etcetera und das Ziel der Pädagogen ist es, aus den Schülern das herauszuholen, was in ihnen steckt.

So weit wird das Wesen einer freien Schule, die ja auch die Anna ungefähr zur gleichen Zeit, wie dieser Tilman sie besuchte, sehr gut erzählt und ich habe in den Neunzigerjahren auch einen Roman über eine freie Schule geschrieben, der es aber nie bis zur Veröffentlichung brachte, weil ich ja erst 2000 selber zu publizieren begann.

Der Roman des 1973 in Bonn geborenen Anselm Neft gehet aber noch viel weiter. Er wird von jenem Tilman, der ein Poe-Fan ist, etwas langatmig erzählt und birgt viele Facetten.

Da ist zuerst einmal dire dreizehnjährige Ella, eine Schülerin, in die der Dreizehnjährige sich gleich verliebt. Er wird nach einigen Aufnahmsprüfungen auch in die Famalie von Salvador und Valerie Wieland aufgenommen und dort herrschen besondere Regeln.

Es gibt auch einen Mediationskeller in dem besondere erotische Spiele gespielt werden. Den Kindern werden auch Wein und Drogen angeboten und alles läuft äußerst freiwillig und nach Wunsch ab. So nimmt Valerie Wieland, den Dreizehnjährigen mit ins Ferienhäuschen und dann in ihr Bett, später steigt noch Salvador dazu und der Junge, der ja nur in Ella verliebt ist, scheint nicht zu begreifen, was da vor sich geht.

Als es aber in der Schule zu einer Anschuldigung kommt und die Sache im Plenum, was es auch in der freien Schule Hofmühlgasse gab, verteidigt er seine Lehrer. Ella verläßt die Schule und so endet der erste Teil.

Das heißt, eigentlich endet er mit dem Tod von Tilmans Vater, der die Schule dann mit Sechszehn verläßt, Abitur in einer öffentlichen Schule macht und später, der zweite Teil spielt siebenundzwanzig Jahre später, ein berühmter Schriftsteller geworden ist, der sich aber und das ist wahrscheinlich das Interessante an dem Roman, denn Internatsromane gibt es ja schon einige und in diesen wurde auch sehr viel hineingepackt, zu jungen Mädchen oder Kindfrauen hingezogen fühlt.

Das erklärt Anselm Neft auch wissenschaftlich, beziehungsweise führt er Beispiele von berühmten Personen an, die sich auch zu Kindern hingezogen fühlten.

Jetzt kommt er wieder in Kontakt mit Ella, denn die will die Wielands  anzeigen und die Mißbrauchsgeschichte aufrollen. Anselm wehrt ab, geht aber zum Begräbnis einer ehemaligen Schülerin, die sich umgebracht hat. Da treffen sich dann die ehemaligen Schüler  und Tilman schwingt hin und weg, als er erfährt, daß Ella eine dreizehnhährige tochter hat, in die er sich sogleich verliebt.

Als ich so ungefähr beim ersten Teil war, habe ich einen Radiobericht über den Roman gehört, wo einer sagte, daß das das beste Buch dieser Saison sei.

Da habe ich noch den Kopf geschüttelt und gedacht, o nein, denn da wird alles, was es nur geht, die verstorbene Mutter war auch noch eine Nixe und das Wasser spielt auch eine symbolische Rolle, in das Buch hiningepackt.

Das trotz der Neunzigerjahre in denen es spielt, seltsam altmodisch klingt. Im zweiten Teil ändert sich das dann. Tilmans Begeheren zu der jungen Lucia  klang dann sehr spannend und nicht so sehr abgelutscht. Darüber läßt sich auch viel nachdenken und diskutieren, obwohl das Buch gegen Ende  wieder abflacht, denn Tilmann, der Lucia seine Liebe gesteht, sie  auch in ein Hotelhzimmer führt, geht nicht zum Äußersten, sondern verläßt Mutter und Tochter, mit der ersteren hat er auch eine Liebesbeziehung, wie der Humbert Humbert, um ins Ausland zu gehen.

Er bekommt dann noch als Rache des Schicksals oder als Selbstbestrafung, eine Autoimmunerkrankung nämlich MS und das Buch endet vielleicht wieder etwas maralinsauer.

Trotzdem ist es aber, das kann ich nicht leugnen sehr interessant und es ist auch eine spannende Verbindung vom Mißbrauch zu der Pädophilie zu kommen, obwohl das in der Praxis natürlich nicht eins zu eins gleichzusetzen ist und die Literatur natürlich davon lebt, zu überhöhen und zu übertreiben, ist es  ein spannendes Buch, das ich gelesen habe, obwohl ich gar nicht so genau weiß, was jetzt mit der “Besseren Geschichte” gemeint ist und, wie sie zu verstehen ist.