Koala

Weiter geht es sowohl mit Schweizer Literatur als auch mit dem Longlistenlesen, denn der 1971 in Thun geborene Lukas Bärfuß ist damit im vorigen Jahr daraufgestanden, dann hat er auch noch den Schweizer Literaturpreis und einige andere Preise, mit dem “Roman” bezeichneten Buch, gewonnen, das meiner Meinung nach, wie ich bei Judith Wolfsgruber lernte, ein Personal Essay ist, nämlich die Verbindung eines persönlichen Erlebnisses mit etwas Wissenschaftlichen.

Lukas Bärfuß ist, glaube ich, auch schon früher mit einem anderen Buch auf der dBp Longlist gestanden, ist auch Dramatiker und dafür glaube ich sehr berühmt und ich habe ihn vorigen März in Leipzig kennengelernt, wo er den Beginn aus “Koala” las, das tat er dann auch in Göttweig und die Stelle von seinem Vortrag über Kleist, der Name wird dabei nicht benannt, das Treffen mit seinem Bruder, der sich dann später ermordet hat, hat mich sehr beeindruckt.

So habe ich mir das Buch gemeinsam mit dem der Katja Petrowskaja, das ich als nächstes Lesen werde, vom Alfred kaufen lassen, es auf die 2015 Leseliste gesetzt und auch nicht von dort heruntergenommen, als es im Herbst auf die Loglist kam. Für heuer habe ich mir vorgenommen, werde ich es anders machen und sollte Gertraud Klemms “Aberland” daraufstehen, das Buch vorziehen, aber jetzt habe ich “Koala” erst jetzt gelesen und bin darauf gekommen, daß es ganz anders ist, als erwartet.

Eine Überraschung oder die Verbindung mit dem Tod des Bruder und das dürfte, wie ich ergooglet habe, der von Lukas Bärfuß sein, mit einem Essay über Koalabären, die lieben kleinen Tiere, die da in Australien so faul in den Bäumen hängen und nichts tun als Eukalypsus fressen und weil Lukas Bärfuß ein Schweizer ist, hat ihn das mit der Faulheit wahrscheinlich besonders interessiert und er stellt auch die Frage, ob ein Selbstmörder das ist, weil er sich und seine Arbeitskraft, der Gesellschaft verweigert und ob er deshalb mit Recht nur außerhalb des Kirchhofes bestattet wird, was Lukas Bärfußs Bruder offenbar noch immer passierte.

Die Psychologin in mir ist natürlich an der Schilderung von Suiciden und wie es einem damit geht, wenn sich der Bruder tötet, sehr interessiert und wurde ein bißchen enttäuscht, denn Lukas Bärfuß berichtet sehr distanziert davon, was eigentlich wieder logisch und zu erwarten ist und ein bißchen seltsam erscheint es mir auch über den Tod seines Bruders, Schwester, etc ein Buch zu schreiben und damit durch die Welt zu reisen, um daraus vorzulesen oder ein Preisgeld entgegenzunehmen und sich mit der Urkunde fotografieren zu lassen.

Vielleicht ist es auch deshalb sehr distanziert und vielleicht auch deshalb, die Idee, das mit der Verknüpfung der Koalas oder der Geschichte des australischen Queenlands zu verbinden.

Da ist also der Ich-Erzähler der lapidar von der letzten Begegnung mit seinem Bruder, den er lang nicht gesehen hat, berichtet, es ist auch nur der Halbbruder, der hatte Erfahrungen mit Drogen, hatte ein himmelblaues Fahrrad und war Betreuer in einer Obdachlosenschlafstelle. Nach dem Treffen vertrinkt er sein Vortragshonorar in einer Bar mit einem Mädchen, fährt dann verkatert heim, gratuliert dem Bruder später zu seinem Geburtstag und bekommt  irgenwann den Anruf von dessen Chefin, der Bruder ist nicht zur Arbeit erschienen und wurde tot in der Badewanne mit einer Überdosis aufgefunden.

Er hat vorher alles genau geordnet, sein Hab und Gut verteilt und auch die Türe offengelassen, damit die Polizei sie nicht aufbrechen muß, das würde ich beispielsweise nicht tun, aber vielleicht sind die Schweizer anders und vielleicht war es Lukas Bärfuß ein Anliegen, das ganz genau zu demonstrieren.

Ein Selbstmord eines Angehörigen löst natürlich Gefühle aus und so ist der Ich-Erzähler, was ich gut nachvollziehen kann, auch sehr zornig. Dann forscht er ein bißchen in seinen Erinnerungen nach und da fällt ihm auch ein, daß er, ich glaube der Bruder hat keinen Namen, im ganzen Buch wird der nicht genannt, von seinen Freunden Koala gerufen wurde, der Spitzname also, wegen der Faulheit oder der Langsamkeit?

Irgendwann geht es dann in die Geschichte, der Bruder ist in einem Pfadfinderlager, lang konnte man glauben, er wäre beim Militär und gerät  in einen Initialritus. Er wird in der Nacht aus dem Zelt geholt, die Augen werden ihn verbunden, in ein Boot gesetzt und dann bekommt er einen Tiernamen, wie das in Pfadfinderlagern offenbar so üblich ist. Seiner ist Koala und deshalb wird er fortan von seinen Freunden so gerufen.

Der Koala, dieses herzige Tierchen und Kinderspielzeug taucht in des Ich-Erzählers Wahrnehmung fortan gehäuft auf, was er sich psychologisch deutet und ich auch gut nachvollziehen kann.

Dann erzählt er die Geschichte der Koalas, dieser lieben Tierchen, die da in Australien in den Bäumen hängen und fängt  mit einer Legende an, wo die Jäger einen töteten, die rächen sich dann dafür und so schüttelten siie sie von den Bäumen, beziehungsweise zünden sie sie an, damit sie herunterkommen müßen und brieten sie dann.

Dann geht es ein Stückchen weiter in die Geschichte, nämlich zum englischen Königshof in den vorigen Janhrhunderten, wo der Platz in den Gefängnissen kanpp wurden. So kam man auf die Idee, eine Strafkolonie zu errichten und die Gefangenen, die wegen Lappalien, zum Beispiel dem Diebstahl von ein paar Kleidern, zu sieben Jahre und Verbannung verurteilt wurden, dorthin zu schicken.

Er berichtet auch von der Liebe eines Offiziers, der diesen Transport begleitet, zu seiner Frau, von seinem Heimweh und seiner Sehnsucht nach ihr, bis er sich dann Jahre später mit einer der Verurteilten vermählt und dem Kind, das sie bekommtr den Namen Alicia, den seiner Gattin gibt.

Lukas Bärfuß berichtet noch von vielen anderen, bevor er wieder zu den Koalas kommt, die dann von den Forschern entdeckt wurden “Am neunften November 18092 gingen zum ersten Mal Teile eines Koalas in die Wissenschaft über”, zu einem beliebten Kinderspielzeug degratiert wurden, etc, bis er wieder zu seinem Bruder und dessen Begräbnis, außerhalb der Kirchenmauer kommt und am Schluß beim Pfadfinderlager landet, bis er mit “Ich stieg in den Wagen, fuhr nach Hause, setzte mich an den Schreibtisch und machte mich an die Arbeit”,  das Buch enden läßt.