Licht und Schatten

Victors Klemperers Kinotagebuch, das der 1881 geborene Rabbinersohn, der 1960 gestorben ist und durch sein LTI berühmt wurde, zwischen 1929-1945 gschrieben hat. Von seiner lingua tertii imperii, dem Notizbuch eines Philologen, das in der der DDR. von Reclam herausgegeben, zum Kultbuch geboren ist, habe ich von der Ute erfahren, es nicht gelesen, wohl aber einen anderen Band des Philologen, der, lese ich erstaunt, offenbar ein änlicher Kinoenthusiant, wie Joseph Roth war, mehrmals in der Woche mit seiner Frau Eva oder auch allein ins Kino gegangen ist und darüber Buch führte.

“Aufbau” hat jetzt diesen Tagebuchband herausgebracht, der von Nele Holdack und Christian Löser herausgtegeben wurde, das Vorwort hat Knut Elstermann geschrieben, der eben Klemperers Kinoleidenschaft erklärte und hinzufügte, daß der 1929 in den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm hineingekommen ist, den er wegen der schlechten Qualität und der schrillen Stimmen anfangs ablehnte. Im ersten Teil “Eine gemordete Kunst, der Tonfilm! 1929 – 1932”, schreibt Klemperer auch von einem Protestplakat, daß man diese Filme bekämpfen soll, weil sie den Klavierspielern die Arbeit nehmen würde, etwas das scharf an die heutige Zeit erinnert und uns daran mahnen kann, daß die Ablehnung des Fortschrittes zwar bekämpft, aber wohl nicht wirklich verhindert werden kann und in den Tagebücher listet Klemperer zum Teil sehr genau die Filme auf, die er gesehen hat.

Da gibt es die Berühmten, die uns in Gedächtnis geblieben sind, der “Blaue Engel” mit Marlene dietrich, den “Hauptmann von Köpenick”, “Im Westen nichts Neues” und viele andere und noch mehr heute völlig unbekannte und Klemperer notiert auch sehr genau, den belanglosen Inhalt, den Kitsch der Handlung, armes Mädel sucht und bekommt reichen Mann, Verwechslungen, etcetera.

Mit dem Tonfilm freundet er sich langsam an. Die Qualität wird besser und vor allem Richard Tauber, der dort seine Arien sang, konnte ihn begeistert. In anderen Tagebüchern beschreibt er seine Situation in dieser Zeit. So bezieht er 1929 mit seiner Frau in Dresden eine Dachkammer und scheint dort seinen Honeymoon wiederzuerleben. Seine Einkünfte, er ist Professor an der Technischen Hochschule, werden eingeschrumpft. So hat er große Schwierigkeiten mit seiner Frau nach Berlin zu fahren, die dort eine Ausstellung besuchen will und 1935, das ist dann schon der nächste Teil “Wir waren vom ersten bis zum letzten Bild und Ton entzückt, 1933-1938”, wurden die Nürnberger Gesetze verkündet, was bedeutete, daß Klemperer zwangsweise in den Ruhestand versetzt wurde. Er macht spät den Führerschein und geht bis es ihm dann verboten wurde, soviel wie möglich ins Kino, sieht sich die Filme der Wessely und Paul Hörbinger an, die Filme von Jan Kiepura und gleich 1933 die “Menschen im Hotel” die Verfilmung des berühmten Vicki Baums Romans.

Im dritten Teil “Es ist nur mit den Augen wie mit den Hut: Der dazugehörige Kopf muß erhalten bleiben, 1939 -1945” zieht Victor Klemperer mit seiner Frau in eine Judenwohnung und muß 1940 weil er auf das Verdunkeln vergißt eine Woche lang eine Gefängnisstrafe antreten, in der er sich, so wie ich in den letzten Monaten, wie im Kino fühlt. Es wurde ihm versprochen seine Bücher mitzunehmen und lesen zu können, was dann nicht so war. So hatte er große Mühe, die eine Woche hinter sich zu bringen und sich ohne intellektuelle Tätigkeit zu beschäftigen, Schachspielen und singen, kann er nicht, wie er schreibt und ist sehr froh, als ihm ein Wärter zum Rasieren bringt und ihm einen Bleistiftstummel gibt.

Victor Klemperer notiert 1942 genau all die Restriktionen denen dieJuden ausgesetzt waren. 1943 wird er zur Zwangsarbeit verurteilt und 1945, als Dresden zerstört wird, sucht er seine Frau Eva und darf im Mai wieder in seine Wohnung zurück. Da geht er dann wieder ins Kino und bemerkt erleichtert, daß seine Augen, wie er fürchtete, bei dem Angriff doch keinen Schaden genommen haben, worauf sich auch die Kapitelüberschrift bezieht.

Es gibt einen ausführlichen Bildteil, wo man Bilder und Plakate zu den Filmen sieht, die werden auch im Anhang angeführt und einen Artikel vom 1912-, Victor Klemperer hat, wie ich dem Anhang entnehme, 1905 sein Studium in Berlin abgebrochen und versucht als freier Schriftsteller zu leben, sein Studium aber auf Drängen seinr Familie wieder aufgenommen, -“DasLichtspiel” und man hat wieder ein spannendes Buch über die Zeit von 1929-1945 gelesen.

Vergleiche zu heute, wo man, wenn auch anderen Gründen, vieles nicht mehr darf, drängen sich auf. Manche der alten Filme habe ich gesehen, bin ich ja früher sehr oft ins Bellaria-Kino gegangen, wo es solche Filme gab und jetzt war ich schon fast ein Jahr mehr in keinen Kino, dafür lesen, lesen, was man ja darf und soll und ich auch ohne “Amazon” über Büchermangel nicht klagen kann.

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