Marlene

Alfred Polgar, der, glaube ich, zu den Wiener Kaffeehausliteraten zählt, 1873 in Wien geboren wurde und 1955 starb, war ein früher Fan von Marlene Dietrich, die 1927 in den Kammerspielen in einer Revue namens “Broadway” aufgetreten ist und dort glaube ich, eine Pistole zückte.

Polgar war auch Filmkritiker und ist so höchstwahrscheinlich mit der 1901 in  Berlin Schöneburg geborenen, die, wie er schreibt, zuerst eine Musikerkarriere in Weimar anstrebte, das Studium wegen einer Sehnenscheidenentzündung aber aufgeben mußte, im Max Reinhardt-Seminar nicht aufgenommen wurde und daher in Filmen meistens in Revuegirlrollen auftrat, bevor sie mit Josef von Sternbergs “Der blaue Engel” nach dem Roman “Professor Unrat” von Heinrich Mann berühmt wurde und mit Sternberg in den Dreißigerjahren auch nach Amerika ging.

Alfred Polgar, der ab 1925 vorwiegend in Berlin lebte, mußte, als dort die Nazis kamen, wieder nach Wien beziehungsweise Prag zurückgehen und war offenbar in Geldnot, so daß er einen Brief an die Dietrich sandte, die ihn auch sogleich unterstützte, wofür er ihr versprach, über sie zu schreiben und so ist 1937 – 1938 ein ewa siebzig Seiten Text “Marlene – Bild einer berühmten Zeitgenossin” entstanden, wo er in einigen Kapiteln, das schon erwähnte und dann auch Lobeshymnen auf ihren Stil, ihre Beine, ihren Sexappeal, etcetera,  abgab.

Die Dietrich gab ihm dafür die Erlaubnis in Deutschland über sie ein Buch herauszugeben und da sie im Sommer 1937 in Salzburg beziehungsweise in St. Gilgen war und dort auch eine Villa gemietet hat, hat er sie an beiden Orten besucht und auch ein Interview mit ihr geführt und verschiedene Fragen an sie gesgtellt.

Dann kamen auch in Wien die Nazis und der Verlag mit dem schon ein Vertrag ausgehandelt war, ich wunderte mich ein bißchen wegen der Kürze des Textes, aber vielleicht war das damals üblich, hörte auf zu existieren.

Polgar mußte mit seiner Frau und dem Manuskript im Koffer fliehen, das offenbar dort bis 1984 liegen blieb und erst da von Ulrich Weinzierl, der mit Marcel Reich-Ranicki in den 1980 Jahren an einer Polgar- Gesamtausgabe arbeitete, entdeckt wurde. Der Text kam aber seiner Länge wegen nicht in sie hinein, die Dietrich, die 1992 in Paris gestorben ist, hat zu dieser Zeit auch noch gelebt und so ist der Text von ihm erst 2015 bei “Zsolnay” herausgekommen.

“Zsolnay” gehört zu “Hanser” und “Hanser” hatte zu dieser Zeit auf seiner Facebookseite öfter Gewinnspiele und Facebookaktionen, wo ich einige Bücher gewonnen habe, darunter auch das hundertsechzig Seiten Bändchen, das weil ja kein Rezensionsexemplar auf meiner Leseliste landete und est jetzt von mir gelesen wurde.

Die ersten fünfundsiebzig Seiten gehören also Polgars-Text und da die Dietrich da ja erst Mitte dreißíg war ist es natürlich keine Biografie, sondern eine Huldigung oder ein Portrait in knappen Blitzlichtern. Die nächsten fünfundvierzig Seiten hat der 1954 in Wien geborene Herausgeber geschrieben, der bis 2013 Korrespondent der FAZ war. Hier gibt er unter dem Titel “Aber verliebt in sie war ich schon -Alfred Polgar und Marlene Dietrich”, Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Buches.

Polgar hat Marlene Dietrich später, glaube ich, nicht mehr gesehen, mit Friedrich Torberg war sie befreundet mit Polgar eigentlich nicht und so ist es sehr interessant in den späten Zweitausendzehnerjahren sowohl Einblicke in das Leben der frühen Dietrich, als auch das in Alfred Polgars zu bekommen, der durch die Nazis ja seinen Verlag, seine Reputation und seine Heimat verloren hat.

Außerdem gibt es in dem Buch auch einen Anhang, wo Weinzierl genaue Quellenangaben zu seinen Behauptungen liefert und ein weiterer umfangreicher Teil sind auch den Veränderungen, die an Üolgars Text vorgenommen wurden, gewidmet, der wahrscheinlich hauptsächlich für Literaturwissenschafter und Historiker interesant sein dürfte.

Der gewöhnliche Leser wird sich eher an den beigefügten Fotografien erfreuen und wenn man mehr und die Dietrich “gesamt” erleben will, sollte man sich wohl an eine später erschienene Biografie halten. Connie Palmen hat, glaube ich, in ihrem neuen Buch “Die Sünde der Frau” über sie geschrieben.

Hier ist wohl mehr der historische Zeitrahmen und die Entstehungsgeschichte interessant und daher ist “Die kleine große Biografie über Marlene Dietrich”, wie am Buchrücken steht, höchstwahrscheinlich doch sehr interessant.

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