Abhauen

“Mit einem unverwechselbaren weilblichen Sound erzählt “Abhauen” vom Unterwegssein, von einem atemlosen Leben, das der Spur der Träume folgt und oft genug in einem Alltag landet, den es wieder abzuschütteln gilt”, steht am Buchrücken, des gerade bei “Residenz” erschienenen dritten Roman, der 1974 in Bratislava geborenenen Jana Benova, die, wie ich ihrer Biografie entnehme, als “Kultautorin einer neuen, urbanen Schriftstellergeneration gilt” und die scheint auch in der Slowakei sehr sprachgewaltig zu sein.

Eine neue Andrea Winkler könnte man so unken, aber nein, ich habe “Abhauen” gern gelesen und mit dem Roman, der aus kurzen Prosastückchen, die in Kapitel mit oft meist kurzen Überschriften gegliedert sind, wahrscheinlich mehr anfangen können, als mit Elisabeth Klars Debutroman “Im Wald” oder Martin Lechners “Kleine Klassa”

Vielleicht ist man als Stammbesucherin der “Alten Schmiede” die poetische ausufernde Sprache mit ihren schönen Wendungen und Metaphern auch gewohnt, selbst wenn man selber nicht so abgehobene Prosa schreibt.

Jana Benova unterscheidet sehr genau zwischen Poeten und Proaisten. Die Heldin Rosa, die einmal in der Ich-Form, dann wieder als “sie” erzählt, gehört offenbar zu den als etwas minder angesehenen Proasisten, ihr Geliebter oder Gatte Son, so genau habe ich das nicht herausgekommen, zu den als höher bewertetenden Poetikern.

Ob sie deshalb immer abhauen will? Aber nein, das scheint schon am Lebensgefühl unserer Gesellschaft und Zeit, sowie in Rosas Vergangenheit, aufgewachsen in einem Bratislava Plattenbau und gerade sechzehn glaube ich, als die große Wende des Kapitalismus kam, liegen.

Das Lebensalter Rosas dürfte mit dem Alter der Autorin zusammenpassen, die  zu Beginn beteuert “Alle Figuren deses Buches sind frei erfunden und keine ähnelt einer le benden Person. Die einzigen, die als real betrachtet werden können, sind Gerda, Kay und das Rentier aus H.Ch. Andersen Märchen “Die Schneekönigin”, womit man schon  am Anfang weiß, wo es auf den cirka hundertdreißig Seiten hingehen wird.

Das Buch ist nicht nur in Kapitel, sondern auch in zwei Teilen gegliedert, die seltsamerweise die gleiche Überschrift tragen  “Abhauen”, heißt es da jeweils groß geschrieben und das Wort abhauen steht auch oft unter den kurzen Textabschnitten.

Rosa also inzwischen vierzig Jahre und aufgewachsen in den Plattenbauten von Bratislava tut das sehr oft, beziehungsweise verspürt sie den Drang, die Sehnsucht, sich in keine Bindungen und Beziehungen einzulassen, so verläßt sie auch Son, den Dichter und reist mit einem Marionettenspieler nach Krems, der sie dort aber, glaube ich, auch verläßt oder sie ihn, so einfach ist das bei den ständigen Changieren zwischen Ort und Zeit, Realität und Traum oder Märchen nicht herauszufinden und ich könnte jetzt wieder vermuten, daß die Autorin Krems vielleicht deshalb so gut kennt, weil sie im Literaturhaus Stipendiatin war.

Es gibt aber auch andere Reisen in dem Buch, Rosa war auch in Rom, Paris, Amerika und irgendwo bei einem Literaturfestival, wo die Prosaisten und die Poeten zum  Frühstück “die kleinen Schölchen mit Butter, Marmelade und Honig öffnen” und dann “endet es immer damit, daß Prosa ganz gut ist, aber the best of course is poetry”.

Wenn man wie ich öfter in die “Alte Schmiede” geht hat man auch das schon öfter gehört, aber möchte ich anfügen Andrea Winkler und Jana Benova sind wahrscheinlich beide sehr poetische Prosaisten und “Abhauen” ist ohne Zweifel ein sehr poetischer Roman, der sich schnell und leicht liest.

Die wunderschönen Worten lassen sich leicht herunterplätschern, die Autorin hat wahrscheinlich sehr lang und genau daran geschrieben und vielleicht auch immer wieder viel geändert und es wird auch einiges im Ohr und in der Erinnerung haftenbleiben.

Einige der schönen Sätze habe ich mir auch angestrichen, um sie zu behalten oder hier wiederzugeben, wie “Der Tod wurde von einem Rechenzentrum abgelöst”, “Wir kamen von Pfefferminzflüssen, nicht vom Meer” oder “Österreich ist so ein Land. “Alles ist GOLDEN”. Es gibt das Hotel “Goldene Pastete” und alles sagen “Grüß Gott” und da kann ich gleich etwas anmerken oder unken. Denn natürlich wurde das Buch ins Deutsche übersetzt und ich weiß jetzt nicht, ob die Übersetzerin Andrea Koch-Reynolds eine Deutsche oder eine Österreicherin ist, aber in einem Buch, das zum Teil in Wien und Krems spielt und das von einem österreichischen Verlag verlegt wurde, mutet es mir ein wenig seltsam an, vom “Abendbrot”, statt von einem “Nachtmahl” oder “Abendessen” zu lesen.

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