Bachmann-Hommage

Im Literaturmuseum gibt es derzeit eine Sonderausstelung über Ingeborg Bachmann, da bin ich über die “Buch-Wien” darauf gekommen, habe mir auch das Veranstaltungsprogramm geholt und bin auf das Archiv-Gesprch mit Christa Gürtler, Anna Baar,Irene Fußl-Pidner und Roland Berbig.

In der Ausstellung bin ich schon am vorigen Freitag gewesen und habe auch das Symposium und den Veranstaltungsreigen zum wahrscheinlich runden Geburtstag, der 1926 in Klagenfurt Geborenen gehört und bin auf den Spuren Ingeborg Bachmanns durch die Stadt gegangen. Die vierbändige Werksausgabe, die auch in der Ausstellung zu sehen ist, habe ich mir mal zu Weihnachten schenken lassen, den “Mythos Bachmann” gelesen und eine eifrige Verfolgerin des “Bachmann-Preises” obwohl der wahrscheinlich nicht sehr viel mit der Bachmann zu tun hat, bin ich auch.

Also das Archivgespräch zum Thema Diva oder Aktualität und da hat sich die 1973 in Zagreb geborene Anna Baar, die in einer Laudatio als avangrdistisch sprachgealtigeradikal und zerstörend bezeichnet wurde, als aufmerksame Leserin geoutet. im Bachmann Todesjahr wurde sie geboren und hat im Klagenfurter Gymnasium den Literaturunterricht und die Zwangsverpflichtung zu den Bachmann-Lesungen verweigert, jetzt ist sie eine ehrfürchtige Verehrrerin und ärgert sich über die Literaturkritik, die zwar die Lyrikerin, aber nicht die Prosaistin, “Malina”, Das dreißgste Jahr”, “Jugend in einer österreichischen Stadt, lobten.

1956 war die damals achtundzwanzigjährige am “Spiegel-Cover” zu sehen, eine Ehre die damals kaum jemand hatte. Ilse Aichinger hätte auch darauf sein sollen, das hat aus nicht ganz bekannten Gründen, vielleicht weil sie damals mit ihren Sohn Clemens schwanger war, nicht stattgefunden und später war Ilse Aichinger mit der sie vorher sehr befreundet war, da gibt es auch einen Briefwechsel, über “Malina” geschinpft.

Aber das wurde in den Siebzigerjahren wie Christa Gürtler meine, ohnehin von niemanden verstanden. Der Test wer von den Anwesenden das Buch gelesen hat, wurde nicht gemacht. Ich habe nicht oder höchstens überflogen, war aber einmal in einer Lesetheateraufführung des Romans.

Es gibt die Liebschaften und die Briefwechsel mit Celan, der mit Max Frisch ist gerade herausgekommen und daran knüpfte sich die Frage, ob man private Briefwechsel veröffentlichen darf? Die darin vorkommenden Personen oder Erben müssen gefragt werden und Ingeborg Bachmann hat den mit Henze glaube ich, unterbinden wollen und seine Briefe vernichtet und das ist wohl die Lösung, daß man das verbrennen muß was nicht in falsche Hände kommen soll.

Aber wann macht man das?, fragte Anna Baar, die sich sehr dafür aussprach, denn man kann ja immer plötzlich sterben und wenn man alles verbrennt hat man auch keine Dokumente, in die man nachschauen kann.

Der Bachmann Bruder Heinz war da und nach der Diskussion konnte man bis neun in die Ausstellung. Also bin ich wieder hinaufgegangen, um mir die zehn Stationen in die sie gegliedert ist, nochmals anzusehen.

Da gibt es die Lyrik, das Frauenbild, die Orte, der Krieg, die Musik, die Philosophie, die Utopie, über dieses Thema hat sie ihre Frankfurter Vorlesungen gehalten, etcetera und ein Jelinek Gespräch über die Autorin.

1973 war Ingeborg Bachmann auch in Polen und hat Auschwitz besucht und lesen hat Christa Gürtler den Besuchern empfohlen. Die Texte lesen und nicht nur die Biografien, von denen es unzählige gibt.

Eine gute Idee denke ich, aber wann hat man oder nimmt man sich die Zeit dazu?

Der Traum

Als Moritz Lichtenstern erwachte, war er sofort munter, obwohl ihm gleichzeitig, die vergangene Traumsequenz gefangenhielt und bildhaft klar vor Augen stand.

Er hatte von dem 2000 verstorbenen österreichischen Dichter, Ernst Jandl, geträumt, den er in seiner Eigenschaft, als Verleger  mehrmals auf Kongreßen und literarischen Colloquien begegnet war.

Im Traum war der Dichter noch am Leben, aber ungefähr so dement, wie sein Vater und sein Großvater, als sie gestorben waren und, wie offenbar er es insgeheim befürchtete, daß es auch bei ihm so kommen könnte, gewesen und hatte in einer betreuten Wohngemeinschaft gelebt.

Wenn er sich nicht irrte, war er sein Betreuer oder auch ein interessierter Besucher gewesen. Warscheinlich war das Letztere richtig. In seiner Eigenschaft, als Exverleger hatte er den dementen Dichter besucht, der ihm, wie er sich erinnern konnte, freundlich ansah und dann hatte er in seinen Texten gewühlt. Gewühlt oder geblättert, so genaukonnte er das nicht differenzieren. Konnte sich aber an eine Gedichtzeile erinnern, die er ihm vorgelesen hatte, als er beim Aufwachen war.

“Zwischen Erdberg und Brigittenau”, hatte der Text gehießen.

“Zwischen Erdberg und Brigittenau: Kindesmißbrauch, Haß, Gewalt, vergewaltigte Frauen, Liebe nicht oder doch vielleicht zwischendrin gestreut ein kleines Bißchen”.

Er war er mit dieser Verszeile auf den Lippen aufgewacht und hatte eine ganze Weile gebraucht, herauszufinden, ob die Zeile nun ein Text Ernst Jandls oder eine Eigenschöpfung war und damit endlich einmal, ein brauchbares Gedicht, das nicht kitschig war, sich nicht auf Herz und Schnmerz reimte und das er in seiner Eigenschaft, als kritischer Verleger, gelten lassen konnte?

Er mußte nachschauen, ob er wirklich ein Gedicht Jandls geträumt hatte oder, ob er dabei war, eine Wortschöpfung zu kreieren, mit der endlich einmal mit sich und seinem dichterischen Schaffen zufrieden war,” dachte er, atmete  auf, schüttelte sich durch und stand auf, um im Pyjama in sein Arbeitszimmer hinüberzugehen und den Computer einzuschalten.

In den vielen Bänden Literaturlexika, die es in seinen Regalen gab, konnte er auch nachsehen, un den Urheber seiner Wortschöpfung ausfindig zu machen.

Aber eigentlich hatte er Mathilde anrufen und ihr mitteilen wollen, daß es soweit war und er  nach dem Frühstück mit seinem Bus losfahren und sich von ihr die Antwort abholen wollte, ob sie mit ihm zuerst nach New York zu Lily fliegen und dann mit dem Bus nach Berlin und wenn sie wollte, mit ihm neuanfangen und durch die ganze, halbe oder auch nur einen kleinen Teil der Welt fahren würde und das Gedicht konnte er ihr statt eines Osterei, das  höchstwahrschein ohnehin  ein wenig kindisch wäre, als Geschenk mitbringen, dachte er, stellte das Lexikon mit dem Buchstaben “J” wieder in sein Regal zurück und begab sich in sein Bad, um sich dort zu waschen und zu rasieren. Sich für die Reise nach Wien zurechtzumachen.
Und er fühlte sich zum ersten Mal seit langen, wie er mit Erstaunen festellte, befreit und ruhig, als hätte er die Schatten der Vergangenheit, die ihn seit Jahren quälten, nun doch ein bißchen hinter sich gelassen.