Populärer Realismus

Jetzt kommt ein sehr interessantes Buch auf das ich durch Ö1 aufmerksam wurde, wo es dann auch noch eine gesamte Sendung dazu gab. Das Buch des 1962 geborenen Moritz Baßler, der an der Universität Münster neuere deutsche Literatur lehrt “Populärer Realismus”-“Vom internationalen Style des gegenwärtigen Erzählens” heißt es weiter und da hatte ich schon mal Schwierigkeiten mit den Begriffes.

Was ist der “Style” und was heißt “Midcult”? Und ich, die ich ja realistisch schreibe, meine die Gesellschaftskritik dabei und keine Trivialliteratur. Denn man sollte ja eigentlich leicht und verständlich schreiben und sich nicht in einem Fremdwörter-Touch verwirren, damit man was versteht.

Das ist wahrscheinlich die alte Frage. Sprache oder Inhalt? Und nur der Joyce ist gut, der Proust, der Johannes Marius Simmel nicht und schon gar nicht der Sebastian Fitzek oder die Joanne Rowling, obwohl die ja die Kinder in die Bibliotheken getrieben hat und als der Hauptverband des Buchhandels den deutschen Buchpreis ausgerufen hat, damit die Leute zu Weihnachten Bücher verschenken, würde ich mal vemuten, berief er Literaturkritiker in die Jury und die Buchhändlerin, darunter auch das Jurymitglied Petra Hartlieb, stöhnten, den Reinhard Jirgl, Ulrich Petzer, Frank Witzel, Thomas Lehr können sie nicht verkaufen, denn die Keute wollen etwas Lesbares, Spannendes, Unterhaltendes und nicht die hehre Sprachkunst, die sie nicht verstehen.

So schreibt Moritz Baßler auch gleich am Anfang, daß er mit James Joyce aufgewachsen ist und dann kommt Wolf Haas daher witzelt herum und die Leute sind zufrieden.

Daniel Kehlmann und noch ein paar andere werden aufgezählt und dann ein Text von Sebastian Fitzek, dem Bestsellerautor mit seinen Psychothriller und die Leser, die “Amazon Rezensenten” oder so, sind zufrieden, denn sie kriegen genau was sie erwarten und können sich auf ihren Fitzek ,verlassen obwohl es immer wieder spannend ist und da sind mir die Webinare der Jurenka Jurk und ihren Romanfahrplan eingefallen, die ja genau das beibringen will mit der Heldenreise,, die den Leser fesseln und die die noch lesen und, ich glaube, das tun immer weniger Leute, wollen unterhalten werden.

Die hehre Literaturwissenschaft sagt aber Genre oder Trivialliteratur dazu, bespricht es nicht in ihren Feuilletons und Denis Scheck schmeißt es in seinem “Druckfrisch” in den Mistkübel hinunter und das ist interessant, denn warum heißt es “Eigenverlag” wollen wir nicht und warum darf ein Buch nicht leicht geschrieben sein, denn wenn man ein Fremdwörterlexikon dazu braucht, um es zu verstehen, schmeißen es die Leser am Ende in den Müll.

Aber zurück zu Moritz Baßler zu seinen internationalen Style und seinen Midcult, denn er verteidigt Sebastian Fitzek und meint, auch wenn man seine spannende Thriller liest, bekommt man etwas mit von der Welt und es geht nicht nur um den Kommerz und das Verkaufen, was offenbar, das einzige ziel der Populärliteratur ist und da erinnere ich mich, wie ich einmal bei dem “Fest für Gerhard Rühm” iwar, der sicherlich nicht im populären Realsmus schreibt, einen hehren Literaturkritiker klagen hörte, daß es soviele erzählende Romane gibt und man stattdessen lieber Friederike Mayröcker lesen soll.

“Hui?”, dachte ich da verschüchtert.

“Aber ich will ja so schreiben und andere tun es doch auch!”

Richtig, Wolf Haas und Daniel Kehlmann, den ich gar nicht so besonders mag und Moritz Baßler führt dann neben Sebastian Fitzek auch noch den Alfred Döblin und seinen “Alexanderplatz” und der ist sicher nicht trivial obwohl er sich offenbar auch den Mitteln des populären Schreben bedient und der populäre Realismus ist offenbar weltüberfassend und leicht zu übersetzen oder eigentlich dafür geschrieben.

Als Beispiel werden da Huraki Murakami und und Frank Schätzing angeführt, da hat sich der Autor einmal in einer Bahnhofsbuchhandlung den “Schwarm” gekauft und bemerkt, daß er das schon hundertmal gelesen hat, weil da ja die Klischees verwendet werden, leicht verständlich sind, während die hehre Literatur mit der Sprache arbeitet und seinen Leser etwas Neues bietet,, was dieser der sich auf seinen Autor verlassen möchte, gar nicht haben will.

Eine interessante Frage und ich dachte, als ich das begriffen habe, daß es ja sehr wichtig ist, in leichter Sprache zu schreiben. Damit alle an der Kultur teilhaben können und nicht nur die, die Matura haben oder Literatur studierten und mit der Matura habe ich gehört, ist es ohnehin nicht mehr weit her, denn da muß man nur Gebrauchsanweisungen schreiben und kann bis zur achten Klasse kommen ohne einen Klassiker oder Gegenwartsautor gelesen zu haben und da denke ich wieder, daß man alles lesen soll, den James Joyce und den Sebastian Fitzek.

Jeden das Seine und wenn man sich nach einem Tag schwerer Arbeit mit einem Krimi erholt und sich nicht mit Marcel Proust abquälen will, ist das auch okay und es gibt auch gesellschaftskritische Krimis.

Der Ausdruck Midcult stammt von Umberto Eco und mir fällt noch der Rüffel ein, den ich hier bekomme habe, weil ich auch Sophie Kinsella lese. Aber ihre “Schnäppchenjägerin “ist großartig, da ist sehr viel Psychologie dabei, auch wenn die Sprache gut verständlich und leicht zu übersetzent ist.

“Midcult” hat wahrscheinlich soviel zu bedeuten, daß der “Populäre Realismus Kunst sein will” und das wird in nächsten Kapitel gehörig verrissen, beziehungsweise Daniel Kehlmanns “Vermessung der Welt”, das ich einmal gefunden, aber nicht gelesen habe, analysiert. Das kommt irgendwo eine Anspielung auf Goethes “Nachtlied” vor, was verstanden wird oder nicht, bzw. die englische Übersetzerin ärgert und dann geht Baßler durch Kehlmanns Werk, der seiner Meinung nach eine Literarizität vortäuscht, aber nicht hält.

Ich halte Daniel Kehlmann für einen hochintelligenten Autor, der mit all den Klischees und Vorurteilen spielt und sie hervorragend verwendet, so zum Beispiel dann in der “Vermessung” ein Ufo auftreten läßt und ich habe einiges von Kehlmann gelesen, beim “Fernsten Ort” habe ich einmal einen Angriff auf ihn in der “Alten Schmiede” und die Reaktionen darauf erlebt.

2003 hat er “Ich und Kaminsky geschrieben” und dann ging es mit der “Vermessung” hoch in den Literaturhimmel und das, was Baßler da kritisiert, wäre ja eigentlich sehr gut. Ein literarischer Roman der die Massen erreicht und den die Leute gern lesen. Was ist da dabei,wenn er sich, damit das passiert Klischees verwendet?

Die, die den hehren Proust analysieren wollen, weil sie Bildungsbürger sind, können das ja immer noch tun und die Mainstreamleser werden sie dabei nicht stören. Das ist wohl mein pädagogisches Ich, das mich über den Tellerrand schauen und da toleranter sein lässt, aber Achtung Leser, ich war nie in einem Gymnasium oder nur in der Sprechstunde dem, meiner Tochter Anna.

Dann kommen wir schon zum magischen Realismus, der in Lateinamerika vorherrscht und von dort zu uns geschwappt ist. Dort sind die Leute arm, könnte man unken, retten sich deshalb gern in die Phantasie und sehen Wirklichkeiten, die sie vielleicht gern hätten aber nicht haben.

Heinrich Böll, der inzwischen vergessene Nobelpreisträger von 1972 wird hier auch zitiert oder seine Literarizität in Frage gestellt. er hat in “Wanderer kommst du nach Spa..” offenbar einen verletzten Soldaten in sein ehemaliges Gymnasium gebracht, weil das inzwischen zum Lazarett umgewandelt wurde. Das ist sehr eindrucksvoll und sagt uns “Krieg ist Böse!”, wenn die starken Metapher natürlich kitschig ist und deshalb prägt sie sich wahrscheinlich auch so gut ein.

Dann kommt es zu Knausgards Autoficition, den ich nicht gelesen habe und wahrscheinlich auch nicht lesen werde und höre und staune, einer seiner Romane fängt fast genauso, wie der “Engel des Vergessens” an und da hätte ich gedacht, es gibt kein Problem mit der literarischen Wertung. Sie ist eine Lyrikerin, beherrscht also die Sprache und sie hat auch den “Bachmann-Preis” bekommen und ist dadurch bekannt geworden.

Für Moritz Baßler wieder zu poulär. Aber was ist schlecht daran, daß das Buch ein Bestseller geworden ist und sich die Leute mit den Kärntner Slowenen beschäftigten? Das halte ich sogar für sehr gut, auch wenn Maja Haderlap ihrer Großmutter da vielleicht etwas in den Mund legt, was sie selbst nicht gedacht hat.

Dann geht es um die Genre, den Fantasyroman, zu dem “Harry Potter”, der “Herr der Ringe”, die “Biß-Romane”, etcetera gehören und da stellt Baßler die Frage, ob sie zur Literatur gehören? Das ist wohl eine Frage der Definition und ich könnte genausogut danach fragen, ob experimentelle Textmontage ohne Sinn und Handlung eine solche sind?

Die, die Fantasy schreiben, tun das oft in Serie und da sind wir wieder bei dem, was die Leser sich erwarten, bei den “Tatort-Krimis” und den Fantasycomputerspielen.

Dann kommt wieder Baßler zur Literatur oder zu Katrin Paßing, die ja 2006 den “Bachmann-Preis” gewann und das auch voraussagte, weil sie den Text nach bestimmten Kriterien konstruierte. Das nannte sie automatische Literaturkritik und damit hat sie die Texte nach Kriterien etwa, spielt in der DDR, hat Nazivergangenheit, etcetera bewertet und auf diese Art und Weise eine Zeitlang selbst einen Preis vergab.

Das hat sich jetzt aufgehört und es ist, glaube ich, auch um Wolfgang Herrndorf, der sich 2013 wegen seiner Krebserkrankung das Leben nahm.

“In Plüschgewittern” habe ich von ihm gelesen und “Tschik” und das ist ja der Kultroman, der laut Baßer nach diese Kriterien geeschrieben wurde. Baßler kommt dann noch zur Popliteratur, dazu zählt Herrrndorfs “In Plüschgewittern” und ich weiß zwar ungefähr, wer zu den Popliteraten gehört, aber nicht genau, was das eigentlich ist.

Beim “Neuen Midcult” geht es über die Rezension von Elena Ferrantes “Genialer Freundin”, wo ich den ersten Teil gelesen habe, zu den etws umstritteneren Stimmen. Da wäre einmal Takis Würgers “Stella”, das mir die liebe Doris ins Klinikum St. Pölten mitbrachte, als ich dort mit meinen Knöchelbruch lag und dem wird ja kulturelle Aneignung vorgeworfen oder, daß ein nicht Betroffener sich nicht in eine Holocaust-Täterin einfühlen darf.

Dann wird es noch moderner nämlich binär und antirassistisch und da stand ja Olivia Wenzel mit ihren “1000 Serpentinien Angst” auf der dBp und die hat ordentlich ausgeteilt, als sie mit ihrer Oma chinesisch Essen ging und dort vermanschte Ethnokost vorgesetzt bekam.

Sharon Dodua Otoos “Adam Raum” wird auch vorgeworfen, daß sich eine schwarze Frau nicht in ein Nazi-KZ hineindenken darf. Allerdings milder als Takis Würger, dem wahrscheinlich mittelalten weißen Mann und Anke Stelling, die mit “Schäfchen im Trockenen” den Leipziger Buchpreis gewonnen hat. Leider habe ich das Buch nicht gelesen, hat sich mit den Sorgen einer modernen Bildungsunterschicht beschäftigt, die nicht mithalten kann, wenn sich ihre Freunde aufs Land zurückziehen wollen.

Man sieht der moderne “Midkult” ist wieder sozialkritisch geworden und interessant ist auch, daß Moritz Baßler, den ich, ohne ihn zu kennen, für konservativ halten würde, sich auf eine Anticorona-Demo bezieht, wo eine Jana aus Kassel, meinte, daß sie sich wie Sophie Scholl fühlt, “weil sie in der Corona-Pandemie eine Maske tragen muss.”

Was Baßler, wie anderere für nicht zuläßig hält und vermutet, daß “Jana ihr Bild von Sophie Scholl selbst bereits kitischigen , unterkomplexen, literarischen oder filmischen Darstellungen der NS-Zeit verdankt.” Nun ja, 1943 war sie wahrscheinlich noch nicht geboren.

Da würde ich “Wehret den Anfängen!”, rufen und einwenden, daß man das, wenn man nur mit Bändern ausgerüstet und zwei Pässen von der Polizei oder Security kontrolliert in Geschäfte und in die Uni darf und zum Zeitpunkt des Geschehens, nicht wußte, ob das vielleicht ewig weitergehen wird? schon darf und sich die Geschichte vielleicht auch anders entwickelt hätte, wenn es 1933 mehr Widerstand gegeben hätte und die Bedrohung auch etwas Subjektives ist.

Die einen haben sich vor dem Virus gefürchtet, die anderen, sich um ihre Freiheit gebracht gesehen und wenn jeder Kritiker gleich ins rechte Eck gerückt wird, kann man vielleicht auch von Verharmlosung des Nationalsozialismus sprechen und sich fragen, warum das nötig war?

Eingeleitet wurde das Kapitel aber mit der Frage an die Leser, was sie sich von der Literatur erwarten und dann zum neuen oder auch alten literarischen Quartett hinübergeschwenkt. Das Alte war stimmgewaltig von Marcel Reich-Ranicki geprägt, das dazwischen von Maxim Biller, der mir zu viel schimpfte und Christine Westermann, die wohl als “Wohlfühlmama” bezeichnet wurde. Das Neue dominiert die Autorin Thea Dorn mit Gästen, wenn das nicht schon überholt ist und Wohlfühlliteratur ist überhaupt etwas, das Mortiz Baßler gar nicht mag.

Ob man aber “Stella”, “Hundert Serpentinen Angst”, oder “Schäfchen im Trockenen” wirklich als Wohlfühlliteratrur bezeichnen kann, würde ich bezweifeln.

Im Kapitel “Tentakuläres Erzählen” werden die Romane “In der Traumfabrik” von Hengameh Yaghoobifarah”, “Der Mythos des Pferdemädchens” von Lisa Krusche und “Identitti” von Mithu Sanyal vorgestellt. Den Zusammenhang zwischen Romanen und auch was tentakuläres Erzählen ist, habe ich nicht ganz verstanden. Was eine Kritik an Moritz Baßler sein könnte, der es als Wissenschaftler offenbar nicht viel vom verständlichen Schreiben hält.

Im nächsten Kapitel geht es um die derzeit sehr beliebte Autofiktion und die hat möglicherweise Karl Ove Knausgard mit seiner Serien “Min Kamp” begonnen und da erklärt Baßler, wie man sein Leben in Serie beschreiben kann.

Literarischer wurde es dann be Rainard Goetz, der ja 1983 Klagenfurt erregte, als er sich während des Lesens die Stirn aufschnitt.

Christian Kracht ist auch ein Meister des Autofiktionales und einer den Baßler anerkennt. Begonnen hat der mit “Faserland” und das dann in “Eurotrash” fortgeführt und das wird auch zur Popliteratur gezählt.

Daran knüpft sich wieder die Frage, wer über was schreiben oder übersetzen darf? Früher hatte man das Problem nicht, da haben Männer die berühmtesten Frauenroma geschrieben und deren Psyche erklärt. Aber jetzt haben wir die political correctness und da wird es schwieriger, aber auch eingeengter, weil am Ende und ganz genau genommen, jeder nur mehr über sein Erlebtes schreiben darf und ob die Leser dann dann haben wollen, ist die Frage oder vielleicht darf man dann nur das lesen, was man selbst erlebt hat, was dem Buchhandel aber wahrscheinlich nicht gefallen wird.

Im Kapitel “Kalküroman” wird Dietmar Darth zitiert dessen “Gentzen oder betrunken aufräumen”, ich gelesen habe und den ich eigentlich nicht zu den leicht lesbaren Unterhaltungsautoren einordnen würde.

Interessant ist auch, daß Moritz Baßler Anette Webers “Anette, ein Heldinnenepos” zu den Kalkülromanen zählt. Sie hat damit aber auch den deutschen Buchpreis gewonnen und Leif Randt, dessen “Allegro Pastell” ich gelesen habe, wird auch analysiert und am Schluß kommt Moritz Baßler, der dann doch beim Lesen, das “Gut mit dem Gernelesen” verbinden will, wieder zu Wolf Haas zurück, den er sehr zu schätzen scheint.

Bilder gibt es in dem Bjuch, das ich sehr interessant fand, gern las und viel für mein Schreiben daraus mitnahm, auch wenn ich alles nachvollziehen konnten und nicht alle Meinungen des Autors teile, auch.

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